Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht findet am 21. September 2023 die mündliche Verhandlung zur Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) gegen die Betreiberin der Online-Partnervermittlung „Parship“, PE Digital GmbH, statt. Anhand von insgesamt 29 Fällen von Parship-Kunden und -Kundinnen, die zwischen 2017 und 2020 Premium-Mitgliedschaften abgeschlossen haben, geht es um die freie Kündbarkeit der Mitgliedschaft, um die Rückerstattung von Beiträgen nach einer vorzeitigen Kündigung und um die automatische Verlängerung von Verträgen, die bis Februar 2022 abgeschlossen wurden. Im Zusammenhang mit diesen Feststellungszielen haben seit Einreichung der Musterfeststellungsklage mehr als 1.200 Verbraucherinnen und Verbraucher eigene Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister angemeldet.
Unter parship.de bietet die Beklagte Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, sich nach Registrierung für kostenfreie und kostenpflichtige Dienste anzumelden. Um den vollen Funktionsumfang der Online-Partnervermittlung nutzen zu können, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher einen kostenpflichtigen Vertrag mit einer Laufzeit von mindestens 6 Monaten abschließen. Dieser verlängert sich nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in den vom 18. April 2017 bis zum 28. Februar 2022 verwendeten Fassungen um weitere 12 Monate, sofern nicht spätestens 12 Wochen vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit gekündigt wird. Der Kläger hält diese Klausel für unwirksam, weil sie den Kunden oder die Kundin unangemessen benachteilige. Bei der von der Beklagten angebotenen Kontaktaufnahmemöglichkeit zur Beziehungssuche seien ein derartig langer Verlängerungszeitraum und eine 12-wöchige Kündigungsfrist weder branchenüblich noch würden sie den beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien gerecht.
Der Kläger wendet sich auch gegen den Standpunkt der Beklagten, die ein Recht der Nutzerinnen und Nutzer ablehnt, den Vertrag jederzeit fristlos kündigen zu können. Nach Auffassung des Klägers ergibt sich ein solches Kündigungsrecht jedoch daraus, dass es sich bei der Partnervermittlung um sog. Dienste höherer Art handele, bei denen der Kunde bzw. die Kundin dem Dienstleister besonderes Vertrauen entgegenbringe und deshalb nach § 627 BGB jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen könne. Das ergebe sich hier u.a. daraus, dass persönliche Angaben aus der Privat- und Intimsphäre gegenüber dem Portal offenbart, gespeichert und verarbeitet würden. Verliere der Kunde oder die Kundin das Gefühl, die Daten seien bei der Beklagten in guten Händen, sei ein längeres Festhalten am Vertrag unzumutbar.
Für den Fall der vorzeitigen Kündigung einer Parship-Mitgliedschaft will der Kläger festgestellt wissen, dass der Beklagten lediglich eine zeitanteilige Vergütung zustehe, die sich allein nach der Dauer des Vertrages bis zur Kündigung bemessen dürfe. Vorausgezahlte Beiträge müssten dann im Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung anteilig zurückgezahlt werden. Der Kläger ist der Ansicht, dass eine darüber hinaus verlangte Vergütung für besondere Aufwendungen oder Nebenleistungen, z.B. für den „Profil-Check“ und die Erstellung eines „Partnerschaftspersönlichkeit-Portraits“, die freie Kündbarkeit faktisch entwerten würde.
Das im Jahr 2018 eingeführte Verfahren der Musterfeststellungsklage ermöglicht es, Rechtsfragen, die für eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen bedeutsam sind, in einem Musterverfahren zu klären. Sie soll ausgleichen, dass es für Verbraucher oft zu aufwändig ist, Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche individuell zu verfolgen, wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist. Zu diesem Zweck können qualifizierte Einrichtungen Rechtsfragen generell klären lassen, von denen bestimmte Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer abhängen. Das Urteil im Musterfeststellungsverfahren ist dann bindend für Verbraucher, die eigene Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das beim Bundesamt für Justiz geführte Klageregister angemeldet haben. Die Durchsetzung einzelner Ansprüche ist allerdings ggf. individuellen Folgeprozessen der Verbraucher vorbehalten.
(c) Hanseatisches OLG, 14.09.2023