Der Deutsche Anwaltverein schließt sich gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen aus der Zivilgesellschaft einem Offenen Brief der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) an. Darin werden die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, der Chatkontrolle eine Absage zu erteilen.

„Die geplante Einführung der Chatkontrolle schwebt schon lange wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der EU-Bürger“, meint Rechtsanwalt Dr. David Albrecht, Mitglied im Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des DAV. Würde sie umgesetzt, wären Unternehmen dazu gezwungen, die digitale Kommunikation ihrer Nutzer:innen verdachtsunabhängig zu scannen.

„Das Recht auf Privatsphäre, die freie Meinungsäußerung und die Unschuldsvermutung sind wesentliche Kernwerte der Europäischen Union. Sie alle werden durch den Entwurf in seiner jetzigen Form gefährdet“, erläutert Albrecht. Schwerwiegende Änderungen am Text der Verordnung wären nötig – darauf hatten bereits in der Vergangenheit hunderte Expertinnen und Experten, Verbände und Parlamentarier:innen aus verschiedensten EU-Staaten hingewiesen.

Trotzdem sollen die EU-Innenminister:innen und das EU-Parlament ihre Positionen zur Chatkontrolle Ende September beschließen. „Mit der Grundrechtecharta der Europäischen Union wäre die Verordnung unvereinbar. Sehenden Auges und wider besseres Wissen nehmen die EU-Co-Gesetzgeber in Kauf, eine Verordnung zu verabschieden, die der EuGH sofort wieder einkassieren müsste“, stellt der Rechtsanwalt fest. Ohnehin sei die Chatkontrolle ungeeignet, ihr Ziel zu erreichen: „Schon heute findet ein Großteil der Kommunikation, die die Chatkontrolle identifizieren soll, im unkontrollierten Darknet statt.“ Durch die Maßnahme würde die Verlagerung der illegalen Aktivitäten in diesen Raum verstärkt, in dem die Ermittlung für die Behörden deutlich erschwert ist – gleichzeitig stelle man aber alle unbescholtenen Nutzer:innen von Mail-, Messenger- und Hosting-Diensten unter Generalverdacht.

„Wir schließen uns deshalb dem Aufruf von EDRi an und fordern die Regierungen in der EU auf, die Chatkontrolle in dieser Form unbedingt abzulehnen“, konstatiert Albrecht.

(c) DAV, 13.09.2023

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