Das Bundesverwaltungsgericht hat mit heute bekannt gewordenen Urteilen vom 14. August 2023 in zwei Verfahren entschieden, dass unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. September 2022 die anlasslose, flächendeckende und personell, zeitlich und geografisch undifferenzierte Vorratsdatenspeicherung europarechtlichen Anforderungen nicht genügt. Bayerns Justizminister Eisenreich: „Auch nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bleibt es dabei: Der EuGH hat in seinem Urteil vom 20. September 2022 begrenzte Spielräume für die Verkehrsdatenspeicherung insbesondere von IP-Adressen zugelassen. Diese müssen zum Schutz von Kindern endlich zeitnah genutzt werden. Die Bundesregierung ist daher weiter aufgefordert, diese Spielräume endlich zeitnah zu nutzen.“
Der Minister: „Es ist völlig unverständlich, dass Strafverfolger beispielsweise Hinweise auf Kindesmissbrauch aus den USA nicht weiterverfolgen können, weil in Deutschland keine IP-Adressen mehr gespeichert sind. Auch bei der Verfolgung von Terroristen, Waffenschiebern und Drogenhändlern sind IP-Adressen in manchen Fällen die wichtigste oder sogar die einzige Spur. Ohne die Speicherung von IP-Adressen fehlt unseren Ermittlerinnen und Ermittlern die teilweise einzige Möglichkeit, Täter zu identifizieren. Verkehrsdatenspeicherung kann Taten aufklären und gegebenenfalls sogar noch laufenden Missbrauch stoppen. Hinter jeder Tat steht das unfassbare Leid eines Kindes.“
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt ausdrücklich an, dass – soweit sich die Pflicht zur allgemeinen und unterschiedslosen Verkehrsdatenspeicherung auf die Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und in diesem Rahmen u.a. auf die dem Teilnehmer zugewiesene IP-Adresse bezieht – die europarechtlich zulässigen Ziele auch die Bekämpfung schwerer Kriminalität und die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit umfassen. Es fehle lediglich an einer entsprechenden Beschränkung der Speicherungszwecke im Telekommunikationsgesetz.
Das seitens des Bundesjustizministers favorisierte Verfahren „Quick Freeze“ ist für Justizminister Eisenreich nicht die Lösung: „Quick Freeze als echte Alternative darzustellen, ist entweder bewusste Augenwischerei oder Unkenntnis. Das Modell ist auch in anderen europäischen Ländern nicht erfolgreich. Wo nichts ist an Daten, lässt sich auch nichts einfrieren. Ich empfehle dem Bundesjustizminister dringend einen Besuch bei unseren Ermittlerinnen und Ermittlern und einen Blick in die Praxis.“
Bayern will weder den gläsernen Bürger noch einen Überwachungsstaat. Eisenreich: „Bei schweren Straftaten brauchen unsere Ermittlerinnen und Ermittler aber zeitlich befristeten Zugriff auf die IP-Adressen. Deshalb fordern wir den Bundesjustizminister auf, die vom EuGH gelassenen Spielräume zeitnah zu nutzen. Da der Handel mit Kinderpornografie nicht vor Ländergrenzen Halt macht, sollte die Bundesregierung auch auf eine möglichst umfassende europäische Regelung hinwirken. Schlupflöcher für die Täter darf es nicht geben.“
(c) StMJ, 07.09.2023