Das Pfälzische Oberlandesgericht hat entschieden, dass ein Landkreis, der über sein Jugendamt einen Ferienpass zum Kauf herausgibt und sich selbst darin als Veranstalter bezeichnet, für Unfälle der Teilnehmenden während der Veranstaltung haftet, auch wenn diese von einer Privatperson durchgeführt wird.
Das Jugendamt des Landkreises gab in den Sommerferien 2013 zu einem geringfügigen Beitrag einen „Ferienpass“ heraus, der zur Anmeldung und Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen berechtigte. Die Eltern eines 7-jährigen Jungen erwarben diesen sog. Ferienpass für ihren Sohn und meldeten ihn für die Veranstaltung „Leben auf dem Ponyhof“ an. Im Rahmen der Veranstaltung nahm der 7-Jährige an einer Traktorfahrt teil. Er saß auf dem Kotflügelsitz des Traktors. Während der Fahrt blickte der Fahrer nach hinten, der Traktor kam vom Feldweg ab, überschlug sich und der Junge wurde unter dem Lenkrad des Traktors eingeklemmt. Das bewusstlose Kind musste von den eintreffenden Rettungskräften reanimiert werden. Aufgrund der erlittenen schwersten Verletzungen wird der Junge bis heute rund um die Uhr durch Pflegepersonen betreut.
Der Junge verklagte – vertreten durch seine Eltern – den Landkreis und verlangte die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung, dass der Landkreis verpflichtet ist, jeden weiteren Schaden aus dem Unfallereignis zu bezahlen. Der Landkreis sah nicht sich, sondern lediglich die die Veranstaltung durchführende Privatperson in der Verantwortung. Das Jugendamt habe nur aus Vereinfachungsgründen die Anmeldungen der Teilnehmenden entgegengenommen. Der Landkreis sei dagegen nicht für Leitung, Planung oder Durchführung der Ferienprogramme verantwortlich gewesen.
Das Landgericht Landau in der Pfalz hat dem Jungen die geltend gemachten Ansprüche weitestgehend zugesprochen. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat die Berufung des Landkreises hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat der 9. Zivilsenat ausgeführt, dass durch die Teilnahme an der Ferienpass-Veranstaltung eine Sonderverbindung zustande gekommen sei, die die Haftung des Landkreises begründe. Der Landkreis sei Veranstalter und nicht nur Vermittler der Ferienaktion gewesen. Das folge u.a. daraus, dass er sich im Anmeldeverfahren selbst als „Veranstalter“ und als „verantwortliches Jugendamt“ bezeichnet habe. Auch habe er im Vorfeld unter „Allgemeine Hinweise“ in einer Informationsbroschüre darauf hingewiesen, dass Eltern von teilnehmenden Kindern darauf verzichten, „Aufsichtspersonen persönlich für Schäden, die ihr Kind bei der jeweiligen Veranstaltung erleidet […] in Anspruch zu nehmen“, wobei Ansprüche gegen den Landkreis als „Veranstalter der Ferienpassaktionen“ „hiervon unberührt“ blieben. Daran müsse sich der Landkreis festhalten lassen. Es sei auch davon auszugehen, dass die Eltern der teilnehmenden Kinder das Angebot des Jugendamtes gerade deshalb angenommen haben, weil sie ihre Kinder beim Jugendamt in guter Obhut glaubten.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Verfahrensgang:
Landgericht Landau in der Pfalz, Urteil vom 21.01.2021, 2 O 277/16
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 20.06.2023, 9 U 49/23
(c) OLG Zweibrücken, 06.09.2023