Im Streit um Ansprüche aus einem Reisevertrag wies das Amtsgericht München eine Klage auf Zahlung von 2.592,60 EUR ab.
Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann und sechs Mitreisende einen achttägigen Aufenthalt mit Vollpension in einem 4-Sterne Hotel in Italien für Anfang Oktober 2022 zum Preis von 648 EUR pro Person gebucht. Der Gesamtpreis der Reise betrug 5.184 EUR.
Zwischen den Parteien war streitig, was unter der Buchung eines „Doppelzimmer“ zu verstehen war. Die Klägerin hatte für die insgesamt acht Personen die Unterbringung im Doppelzimmer „Mountain“ gebucht. Ob die Klägerin bei der Buchung auf der Internetseite ausdrücklich zwei oder vier Doppelzimmer gebucht hatte, konnte nicht geklärt werden. Die Klägerin vertrat die Ansicht, sie habe vier Doppelzimmer mit vier Doppelbetten gebucht. Auf der Buchungsbestätigung sei keine Zimmeranzahl angegeben, sondern nur das Wort „Doppelzimmer“ verwendet worden, welches auch als Mehrzahl verstanden werden könne. Die vor Ort erfolgte Unterbringung in lediglich zwei Zimmern sei daher mangelhaft gewesen, was eine Minderung in Höhe von 50 % des Reisepreises rechtfertigen würde. Die Beklagte war hingegen der Ansicht, die Klägerin habe zwei Doppelzimmer mit einer Belegung mit jeweils vier Personen gebucht. Die Kategorie „Doppelzimmer“ sei für bis zu vier Erwachsene buchbar.
Das Amtsgericht München wies die Klage vollumfänglich ab und führte in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:
„Die Vertragsunterlagen (…) enthalten hinsichtlich der Unterbringung insoweit keine eindeutige Regelung, als nicht ersichtlich ist, ob der Begriff „Doppelzimmer“ im Singular oder Plural verwendet wird. Es sind keinerlei Erläuterungen vorhanden (etwa Bezifferung, Zusatz „mit Zustellbetten“, „Zur Verwendung von 4 Personen“ etc.), die einen Rückschluss darauf zulassen, ob ein oder zwei Doppelzimmer zur Verfügung gestellt werden sollten. (…)
Die Parteien haben sich damit über einen regelungsbedürftigen Punkt zunächst unbewusst nicht geeinigt. Auch aus den weiteren Inhalten der Erklärungen ist dies nicht eindeutig bestimmbar. Es liegt somit ein versteckter Dissens hinsichtlich eines regelungsbedürftigen vertraglichen Nebenpunktes vor, der nach § 155 BGB zunächst dazu führt, dass der Vertrag nicht zustande gekommen ist.
Die Beklagte ist nämlich hinsichtlich ihrer Erklärung offensichtlich davon ausgegangen, dass lediglich zwei Doppelzimmer Vertragsbestandteil werden sollten. Die Klägerin hat in der Klage glaubhaft dargelegt, dass sie überzeugt war, sie habe je zwei Erwachsenen ein Doppelzimmer gebucht. Es liegt daher ein sog. Scheinkonsens vor, da der mehrdeutige Begriff „Doppelzimmer“ nach den Vorstellungen der Parteien im unterschiedlichen Sinn verwendet wurde.
Nach der Auslegungsregel des § 155 BGB ist jedoch davon auszugehen, dass der Vertrag auch ohne Einigung über diesen Punkt geschlossen worden wäre. Dies ergibt sich aus dem Verhalten der Parteien nach Aufdeckung des Einigungsmangels: Die Klägerin und die Mitreisenden haben sich entschieden die Reise fortzuführen und die Reiseleistungen, über die eine Einigung erzielt wurde, weiter in Anspruch zu nehmen. Auch die Beklagte hat die Leistungen weiter zur Verfügung gestellt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass eine Geltung der Vereinbarungen im Interesse beider Parteien liegt und deren mutmaßlichen Willen entspricht. Andernfalls hätten die Parteien etwa durch Abbruch der Reise zum Ausdruck bringen können, dass kein Interesse mehr an einem Vertragsschluss besteht.
Die vertragliche Regelungslücke ist, da eine nachträgliche Einigung der Parteien über den offenen Punkt nicht erfolgt ist, mit Vorschriften des dispositiven Rechts zu schließen. In Betracht kommen etwa die §§ 315-319, 612, 631 BGB. Enthält das dispositive Recht – wie hier – keine geeigneten Regelungen, hat eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 157, 242 BGB zu erfolgen (…).
Diese Auslegung ergibt, dass Vertragsbestandteil die Buchung von (nur) jeweils einem Doppelzimmer pro vier Personen war. Zwar wird der Begriff „Doppelzimmer“ wie ausgeführt nicht stets einheitlich verwendet. Nach dem Wortsinn und auch der im Beherbergungsgewerbeüblichen Definition handelt es sich um „ein Zimmer mit Schlafgelegenheiten für zwei Personen in einem Doppelbett oder zwei längsseits aneinander gefügten Einzelbetten“ (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband, abrufbar unterhttps://www.dehoga-bundesverband.de/zahlen-fakten/betriebsarten/).
Der Klägerin ist daher zuzugeben, dass der von der Beklagten in der Buchungsbestätigung vorgegebene Begriff jedenfalls nicht eindeutig ist. Wird nämlich eine Reise für acht Personen gebucht, bei denen es sich erkennbar um keine gemeinsame Familie handelt, ist es, wenn der Begriff ohne weiteren Zusatz verwendet wird, sowohl denkbar,dass den Gästen zwei oder auch vier Zimmer zur Verfügung gestellt werden. Es ist zwar grundsätzlich möglich, und unter Klarstellungsgesichtspunkten ggf. geboten, bei einer Anzahl der Reisenden, die die Anzahl der gewöhnlich in einem Doppelzimmer zur Verfügung gestellten Betten übersteigt, klarzustellen, dass dennoch nur ein Doppelzimmer gebucht wird, etwa durch die Begriffe „Mehrbettzimmer“, „Doppelzimmer zur Verwendung von vier Personen“, Doppelzimmer mit Zustellbetten“ oder Ähnlichem. Es ist jedoch jedenfalls in der vorliegenden Konstellation ebenso nicht unüblich,dass Doppelzimmer ohne Verwendung dieser Begriffe für mehr als zwei Personen verwendet werden.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den genannten Umständen und insbesondere auch aus dem gegenständlichen Reisepreis, dass nach Treu und Glauben gem. §§ 157, 242 BGB nur ein Zimmer je vier Personen geschuldet sein konnte. Der Übernachtungspreis pro Person berechnet sich auf weniger als 100 € pro Nacht und ist damit bei einem nach Landeskategorie der vier Sterne Kategorie zuzuordnenden Hotel mit All-Inklusive Leistungen sehr niedrig. Nach der gebotenen objektiven Betrachtung wären redliche Vertragspartner aufgrund der Gesamtumstände der Buchung bei angemessener Interessenabwägung daher davon ausgegangen, dass bei einem solchen Preis lediglich ein Zimmer je vier Personen gebucht sein sollte.
Da die Reise demnach die nach der ergänzenden Vertragsauslegung vereinbarte Beschaffenheit i.S.d. § 651 i Abs. 2 S. 1 BGB aufgewiesen hat, scheiden Reisemängel aus und demzufolge auch daraus resultierende Minderungs-, Aufwendungs- oder Schadensersatzansprüche.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 31.05.2023
Aktenzeichen: 242 C 403/23
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
(c) AG München, 4.09.2023