Mit seinem Urteil, das den Beteiligten heute zugestellt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2022 dem Normenkontrollantrag von ehemals in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Freiburg lebenden Bewohnern gegen Regelungen der dort bis zum 15. Dezember 2021 geltenden Hausordnung teilweise stattgegeben. Er hat die Unwirksamkeit der Regelungen zum Betreten der Bewohnerzimmer durch Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Freiburg und dort eingesetzter privater Dienstleister festgestellt. Im Übrigen hat er den Normenkontrollantrag abgelehnt.
Sachverhalt und Verfahren
In der vom Regierungspräsidium Freiburg seit Mai 2018 betriebenen LEA werden Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben, in der ersten Phase ihrer Ankunft in Deutschland untergebracht. In der dortigen Hausordnung, die auf einer Musterhausordnung für das Land Baden-Württemberg basiert, werden die Modalitäten des Zusammenlebens in der Einrichtung festgelegt.
Die Antragsteller haben sich mit ihrem im Dezember 2020 eingereichten Normenkontrollantrag unter anderem gegen Regelungen der Hausordnung über die Durchführung von Zutritts- und Zimmerkontrollen gewandt. Einen im März 2021 in dieser Sache gestellten Eilantrag lehnte der VGH mit Beschluss vom 28. Juni 2021 aufgrund einer im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung ab (s. Pressemitteilung vom 2. Juli 2021).
Von den ursprünglich sechs Antragstellern lebte zuletzt keiner mehr in der LEA. Vier Antragsteller hatten nach ihrem Auszug den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Zwei Antragsteller, die aus Ghana stammen, haben ihre Anträge trotz ihres Auszugs im Herbst letzten Jahres aufrechterhalten.
Zum 15. Dezember 2021 hob der Einrichtungsleiter die angegriffenen Regelungen auf und erließ eine neue Hausordnung.
Urteil des VGH
Der 12. Senat des VGH gab dem Normenkontrollantrag der verbliebenen zwei Antragsteller teilweise statt. Zur Begründung seines Urteils, das nur die frühere Hausordnung betrifft, führt der 12. Senat des VGH in den schriftlichen Urteilsgründen aus:
Der Normenkontrollantrag sei teilweise unzulässig. Durch den Auszug aus der LEA sei für die Antragsteller ihre gegenwärtige Beschwer entfallen. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes sei in diesen Fällen die Rechtsklärung weiterhin möglich, wenn es sich um schwerwiegende Grundrechtseingriffe handele. Dies sei zu bejahen für die Regelungen zur Kontrolle der Zimmer. Die Vorschriften, die den privaten Sicherheitsdienst zur Kontrolle der Antragsteller beim Zutritt zur LEA und auf dem Gelände berechtigt hätten, führten hingegen nicht zu einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Insoweit sei der Normenkontrollantrag daher unzulässig und abzulehnen.
Der Antrag gegen die Regelungen der Hausordnung zum Betreten der Bewohnerzimmer sei begründet. Für die Regelungen fehle eine gesetzliche Grundlage. Die Zimmer der Bewohner, in der sich zugleich ihre Schlafstätte befinde, seien eine Wohnung i.S.d. Art. 13 Abs. 1 GG. Zwar spreche die Unterbringungsstruktur in der LEA für die Notwendigkeit von Einschränkungen im Grundrechtsschutz aus Art. 13 GG beim Betreten der Bewohnerzimmer. Vergleichbares habe das Bundesverfassungsgericht bei Geschäftsräumen angenommen. Allerdings bedürfe es auch in diesen Fällen einer besonderen gesetzlichen Vorschrift. Die Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG oder Regelungen in einer von dem Einrichtungsleiter erlassenen Hausordnung genügten hierfür nicht.
Das Urteil vom 2. Februar 2022 ist nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der VGH die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen (AZ. 12 S 4089/20).
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 24. Februar 2022