Der gegenüber der Ortsgemeinde Hirschhorn erlassene Bescheid über die von ihr an den Landkreis Kaiserslautern zu leistende Kreisumlage für das Jahr 2013 und der Bescheid über die von ihr an die Verbandsgemeinde Otterbach zu leistende Verbandsgemeindeumlage für das Jahr 2013 sind rechtswidrig, weil die den Bescheiden zu Grunde liegenden Festsetzungen des Kreisumlagesatzes in der Haushaltssatzung des Landkreises bzw. des Verbandsgemeindeumlagesatzes in der Haushaltssatzung der Verbandsgemeinde jeweils wegen Verstoßes gegen verfahrensrechtliche Vorgaben unwirksam sind. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in zwei parallelen Verfahren und gab den Anfechtungsklagen der Ortsgemeinde statt.
Der im Verfahren um die Kreisumlage beklagte Landkreis Kaiserslautern, der über Jahre hohe Jahresfehlbeträge in seiner Haushaltsplanung auswies, erhob jahrelang die Kreisumlage unter Berücksichtigung der ebenfalls zum Teil hohen Verschuldung einiger der ihm angehörenden Gemeinden unter dem durchschnittlichen Umlagesatz in Rheinland-Pfalz. Im Jahr 2010 beschloss der Kreistag auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Kommunalaufsichtsbehörde, den Kreisumlagesatz in den Jahren 2010 bis 2013/2014 gestaffelt anzuheben und schließlich – zur Schonung der umlagepflichtigen Gemeinden unter Anrechnung von 75 % der Gewinnausschüttung der Kreissparkasse – an den jeweiligen Landesdurchschnitt anzupassen. Im Jahr 2011 verpflichtete sich der beklagte Landkreis in einem mit dem beigeladenen Land abgeschlossenen Konsolidierungsvertrag im Rahmen des Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP), seinen jährlichen Konsolidierungsbeitrag unter anderem durch die schrittweise jährliche Anhebung der Kreisumlage (2013 auf 41,25 v.H.) zu realisieren.
Der Kreistag des Beklagten setzte in seiner Sitzung im Februar 2013 den Umlagesatz für die Kreisumlage in seiner Haushaltssatzung für das Jahr 2013 auf 41,20 v.H. fest. Auf dieser Grundlage forderte der Beklagte von der Klägerin, der Ortsgemeinde Hirschhorn, mit Bescheid von November 2013 eine Kreisumlage in Höhe von 212.056 €. Die Klägerin – eine kleine, kreisangehörige Ortsgemeinde, die ebenfalls über Jahre einen unausgeglichenen Haushalt und eine hohe Liquiditätskreditverschuldung aufwies – erhob gegen die Kreisumlage erfolglos Widerspruch und sodann Klage. Sie machte insbesondere geltend, die Kreisumlage nehme ihr die verfassungsrechtliche Mindestausstattung; eine für ihre Aufgaben angemessene Finanzausstattung sei nicht mehr gegeben. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Bescheid sei rechtmäßig, da insbesondere die ihm zu Grunde liegende Festlegung des Kreisumlagesatzes in der Haushaltssatzung des Beklagten nicht gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 49 LV) verstoße. Der Beklagte habe in nicht zu beanstandender Weise sowohl den finanziellen Interessen seiner kreisangehörigen Gemeinden als auch seiner eigenen Finanznotlage Rechnung getragen. Es liege weder ein Verstoß gegen das Gebot kommunaler Rücksichtnahme noch gegen den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung vor, weil die Umlageerhebung auch im Zusammenwirken mit anderen Umlagen nicht zu einer auf Dauer strukturellen Unterfinanzierung der Klägerin führe.
Auf die Berufung der Klägerin gab das Oberverwaltungsgericht der Klage statt und hob den angegriffenen Bescheid auf. Der Kreisumlagebescheid für das Jahr 2013 sei rechtswidrig, weil die ihm zu Grunde liegende Festsetzung des Kreisumlagesatzes in der Haushaltssatzung 2013 wegen eines Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 GG unwirksam sei. Bei ihrem Erlass seien die unmittelbar aus dem Grundgesetz abzuleitenden verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht hinreichend beachtet worden. So verpflichte der in Art. 28 Abs. 2 GG wurzelnde Grundsatz des Gleichrangs des Finanzbedarfs der kommunalen Gebietskörperschaften den Landkreis bei der Erhebung einer Kreisumlage in verfahrensrechtlicher Hinsicht, nicht nur seinen eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln, wobei die ermittelten Informationen dem Kreistag als dem für die Umlagefestsetzung zuständigen Organ bei der Beschlussfassung über den Kreisumlagesatz vorliegen müssten. Insoweit müsse zumindest ein aktueller – d.h. das betroffene Haushaltsjahr abbildender – bezifferter Bedarfsansatz für jede kreisangehörige Gemeinde vorliegen. Weiter sei die Entscheidung über die Umlagefestsetzung als Ergebnis der Gewichtung der finanziellen Belange in geeigneter Form – etwa im Wege einer Begründung der Ansätze der Haushaltssatzung – offenzulegen. Es obliege mangels landesrechtlicher Ausgestaltung des Verfahrens zur Erhebung der Kreisumlage den Landkreisen in eigener Verantwortung ein Verfahren zu beachten, welches sicherstelle, dass diese von Verfassungs wegen gebotenen Verfahrensanforderungen gewahrt würden. Die Pflicht zur Einhaltung der Ermittlungs- und Offenlegungsanforderungen bürde den Landkreisen in Rheinland-Pfalz auch nicht – etwa im Hinblick auf die große Anzahl kreisangehöriger Gemeinden und den daraus resultierenden Verwaltungsaufwand – etwas Unmögliches oder Unzumutbares auf. Der verfassungsrechtliche Schutz des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts, der gerade durch die Ermittlungspflicht des Landkreises abgesichert werde, könne nicht dadurch relativiert werden, wie viele Gemeinden von der Umlagepflicht betroffen seien. Es stehe dem Landkreis frei, durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung – ggf. unter Einbeziehung der Gemeinden – praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen. Außerdem entbinde die im Rahmen des Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP) in Konsolidierungsverträgen mit dem Land zeitlich vorhergend eingegangene Verpflichtung zur Festsetzung bestimmter Kreisumlagesätze den Landkreis nicht von der Beachtung der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen betreffend die Ermittlung und Offenlegung konkreter und hinreichend aktueller Kenndaten im Rahmen der Beschlussfassung über den Haushaltsplan und damit über den Kreisumlagesatz und einer ergebnisoffenen Berücksichtigung und Gewichtung der finanziellen Belange. Genauso wie der Landkreis seinen eigenen Finanzbedarf konkret und aktuell für das betroffene Haushaltsjahr ermittele, müsse er dies dabei auch für den gleichrangigen Bedarf der umlagepflichtigen Gemeinden tun. Der Beklagte habe diese aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Vorgaben bei der Gestaltung des Verfahrens zur Erhebung seiner Kreisumlage indes nicht gewahrt. Die Ermittlungs- und Vorlagepflicht sei verletzt, da dem Kreistag des Beklagten als dem für die Umlagefestsetzung zuständigen Organ bei der Beschlussfassung über den Kreisumlagesatz 2013 keine hinreichend aktuellen – d.h. auf das Haushaltsjahr bezogenen 2013 – Informationen über den gemeindlichen Finanzbedarf der umlagepflichtigen Kommunen vorgelegen hätten. Entsprechende aktuelle Bedarfsansätze seien außerdem nicht in der Beschlussvorlage oder anderweitig dokumentiert worden, weshalb jedenfalls auch die Offenlegungspflicht verletzt sei. Diese Verletzung führe von Verfassungs wegen zur Unwirksamkeit der Satzungsnorm, sodass für den angegriffenen Bescheid über die Kreisumlage eine Rechtsgrundlage fehle und dieser damit rechtswidrig und aufzuheben sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das betreffende Haushaltsjahr bereits abgelaufen sei.
In dem parallelen Verfahren betreffend die Verbandsgemeindeumlage hatte der Verbandsgemeinderat der Verbandsgemeinde Otterbach – jetzt Verbandsgemeinde Otterbach-Otterberg – in seiner Sitzung im Dezember 2012 einen Umlagesatz in Höhe von 45 v.H. beschlossen und für die Ortsgemeinde Hirschhorn eine Verbandsgemeindeumlage in Höhe von 231.615 € errechnet. Auch dagegen wandte sich die Klägerin. Unter Anwendung der oben genannten rechtlichen Maßgaben – die für die Verbandsgemeindeumlage gleichermaßen Geltung beanspruchten – gab das Oberverwaltungsgericht im Berufungsverfahren auch dieser Anfechtungsklage gegen den Umlagebescheid statt. Die Verbandsgemeinde habe die ihr obliegende Ermittlungs- und Offenlegungspflicht nicht hinreichend beachtet. Bei der Beschlussfassung des Verbandsgemeinderats über die Haushaltssatzung 2013 und darin über die Höhe des Verbandsgemeindeumlagesatzes hätten dem Verbandsgemeinderat keine hinreichenden aktuellen – d.h. auf das Haushaltsjahr bezogenen – bezifferten Bedarfsansätze für die umlagepflichtigen Gemeinden vorgelegen bzw. solche seien nicht offengelegt worden. Mangels wirksamer Festsetzung des Umlagesatzes in der Haushaltssatzung mangele es dem Umlagebescheid an einer Rechtsgrundlage, so dass der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben sei.
Urteile vom 12. Juli 2023, Aktenzeichen: 10 A 10425/19.OVG (Kreisumlage) und 10 A 10426/19.OVG (Verbandsgemeindeumlage)
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