Das Bundeskabinett will sich am heutigen Mittwoch mit einem Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis befassen. Der hessische Justizminister Roman Poseck kritisiert die Pläne und erklärte hierzu heute in Wiesbaden:
„Das Vorhaben der Ampel, Cannabis zu legalisieren, ist mit gravierenden rechtlichen Risiken verbunden. Es ist mehr als fraglich, ob der Gesetzentwurf europarechtskonform ist.
Weiterhin zeugt der Gesetzentwurf davon, dass die Ampel bei der Legalisierung selbst ein schlechtes Gewissen hat. Um dieses zu erleichtern, sollen immense bürokratische Hürden, zum Beispiel im Hinblick auf den Anbau und Vertrieb von Cannabis, aufgestellt werden. Insgesamt ist ein fauler Kompromiss entstanden, der Nachteile auf allen Seiten mit sich bringt.
Schon der Umfang des Gesetzentwurfs von mehr als 150 Seiten ist ein Spiegelbild der enormen bürokratischen Aufwände, die entstehen sollen. Es ist unzumutbar, die Rechtspraxis mit den vorgesehenen zusätzlichen Kontrollerfordernissen und Anforderungen sowie ungelösten Rechtsfragen alleine zu lassen. Vertreter der Kommunen und der Justiz warnen bereits vor den entstehenden Zusatzaufwänden. Der Deutsche Richterbund hat mehrfach deutlich gemacht, dass auf Staatsanwaltschaften und Gerichte eine Mehrbelastung zukommen wird. Diese Einschätzung teile ich für die hessische Praxis. Für die Justiz und die Sicherheitsbehörden ist mit einem erheblichen Zusatzaufwand zu rechnen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzentwurf von Entlastungseffekten auf Seiten der Justiz ausgeht.
Verfahren wegen des Besitzes von Kleinstmengen haben die Justiz bislang eher gering belastet. Über § 31a BtMG, der schon heute ein Absehen von Verfolgung in diesen Fällen ermöglicht, konnten zumeist sachgerechte Lösungen ohne größere Aufwände erzielt werden. In Zukunft könnte die Strafverfolgung mit zahlreichen neuen Fragen belastet werden, da die strafrechtliche Einordnung dann von vielen neuen, im Einzelnen schwer zu beurteilenden Faktoren abhängen wird. Zusätzliche Aufwände lassen im Übrigen die geplanten Vorschriften zur Tilgung von Eintragungen in das Bundeszentralregister und das Erziehungsregister erwarten.
Die Erfahrungen in Ländern, die eine Legalisierung herbeigeführt haben, widersprechen zudem der Erwartung, dass Konsum und Kriminalität zurückgehen werden. Es ist damit zu rechnen, dass der Schwarzmarkt größer und nicht kleiner wird und sich um diesen herum weitere Kriminalitätsfelder entwickeln werden.
Die legalen Beschaffungswege sind nach dem Gesetzentwurf sehr kompliziert. Gleichzeitig soll der Besitz kleinerer Mengen straffrei werden. Es liegt auf der Hand, dass sich Konsumenten vor diesem Hintergrund verstärkt auf dem Schwarzmarkt bedienen werden, weil dies für sie nicht mehr mit einem strafrechtlichen Risiko verbunden ist. Dies dürfte gerade für junge Menschen gelten und zwar insbesondere für Minderjährige, die von legalen Bezugswegen abgeschnitten sind, aber gleichzeitig straffrei konsumieren dürfen. Dabei sind vor allem junge Menschen von den gesundheitlichen Risiken des Cannabis-Konsums besonders betroffen.
Weiterhin besteht die Gefahr, dass die Strafverfolgungsbehörden infolge der Legalisierung zukünftig Ermittlungsansätze verlieren, um kriminelle Strukturen, auch im Bereich der Organisierten Kriminalität, aufzudecken. So haben gerade in den sogenannten „Encrochat-Verfahren“, in denen schwere Straftaten der Organisierten Kriminalität nachgewiesen werden konnten, häufig Ermittlungsmaßnahmen aufgrund von Verdachtsmomenten nach dem Betäubungsmittelstrafrecht erste Ansätze geliefert. Diese fallen künftig weg oder stehen zumindest in Frage. Das Vorhaben könnte damit am Ende die Falschen schützen.
Die Ampel-Regierung nimmt zum wiederholten Male eine falsche Prioritätensetzung vor, in der Justizpolitik und auch darüber hinaus. Beachtliche Einwände der Justizpraxis, die in den letzten Tagen von verschiedenen Seiten deutlich gemacht wurden, sollen offensichtlich erneut übergangen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Pläne noch gestoppt werden, im Gesetzgebungsverfahren in Deutschland oder durch die EU-Kommission.“
(c) HMdJ, 16.08.2023