Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) geht mit Bahar Aslan und Rechtsanwalt Patrick Heinemann gegen den Entzug ihres Lehrauftrags an der Polizeihochschule NRW vor. Aslan unterrichtet seit Januar 2022 das Fach „Interkulturelle Kompetenz“ an der Hochschule. Die Hochschule hatte Aslan im Mai 2023 einen Lehrauftrag für das kommende Wintersemester erteilt. Nachdem Aslan Ende Mai auf Twitter ihre Sorge über rechte und rassistische Kräfte bei der Polizei geäußert hatte, hat die Hochschule den Lehrauftrag widerrufen. Mit Unterstützung der GFF reicht Aslan heute einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein, um den Widerruf des Lehrauftrags außer Vollzug zu setzen.
Mit ihrer Sanktion verletzt die Polizeihochschule die Meinungsfreiheit von Bahar Aslan und setzt außerdem das Muster fort, bei öffentlicher Kritik an polizeilichen Missständen deren Benennung zu problematisieren, anstatt das Problem anzugehen. Mit dem Verfahren will die GFF Menschen den Rücken stärken, die strukturelle Missstände in den Sicherheitsbehörden benennen und dafür angefeindet werden.
„Der Vorfall ist bezeichnend: Eine Lehrbeauftragte der Polizeihochschule verliert ihren Job, weil sie öffentlich ihre Angst vor Rassismus in der Polizei äußert. Das zeigt, wie weit wir davon entfernt sind, dass Sicherheitsbehörden sich mit Rassismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen“, kritisiert Laura Kuttler, Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF. „Kritik an staatlichen Behörden üben zu können ist Teil der Meinungsfreiheit – das hat die Polizeihochschule grob verkannt.“
„Die Polizei sollte die erste Adresse für People of Color sein, um sie zu schützen. Die Realität sieht leider anders aus: Viele von ihnen haben Angst vor der Polizei. Anscheinend habe ich mich für die Polizeihochschule zur Persona non grata gemacht, indem ich diese Angst öffentlich anspreche“, sagt die Antragstellerin Bahar Aslan.
Die Polizeihochschule hatte den Widerruf des Lehrauftrags damit begründet, dass Aslan aufgrund des kritischen Tweets nicht länger die Eignung aufweise, an der Polizeihochschule zu unterrichten. „Der Widerruf und die weiteren Bescheide lassen Frau Aslans Grundrechte völlig außer Acht. Alle genannten Gründe sind an den Haaren herbeigezogen“, kritisiert Rechtsanwalt Patrick Heinemann.
In den letzten Jahren häuften sich Meldungen über rechtsextreme Chats und rassistische Vorfälle innerhalb von Sicherheitsbehörden. Wenn Polizist*innen diese Vorfälle meldeten, kam es immer wieder zu Sanktionen gegenüber den Hinweisgeber*innen, während die Vorfälle selbst nicht aufgearbeitet wurden. Um Hinweisgeber*innen in der Polizei besser zu schützen, hat die GFF im Juli das Projekt „Mach Meldung!“ gestartet. Das Projekt will potenziellen Whistleblower*innen über Meldewege an die Hand geben sowie die Problemlage durch Studien besser untersuchen.
Die GFF will mit dem Projekt „Mach Meldung!“ – wie auch mit dem Verfahren von Bahar Aslan – dazu beitragen, dass Missstände in den Sicherheitsbehörden aufgearbeitet werden. Das setzt voraus, dass Probleme benannt werden können und Menschen dafür nicht sanktioniert werden.
(c) GFF, 15.08.2023