Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2022 weist einen deutschlandweiten Anstieg der Straftaten gegen die sexuelle Orientierung auf. Im vergangenen Jahr wurden 1.005 Straftaten registriert, gegenüber 870 im Jahr 2021, was eine Zunahme um über 15 Prozent bedeutet. In Hessen sind unter den 53 im Jahr 2022 registrierten Fällen queerfeindlicherGewalt 20 Körperverletzungen, darunter 16 gefährliche Körperverletzungen. 2021 verzeichnete die Polizei sieben Körperverletzungen gegen queere Personen, 2020 waren es fünf.
„In den vergangenen Jahren ist ein stetiger Anstieg von Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Personen (LSBTIQ*) zu verzeichnen. Dieoffiziellen Zahlen bestätigen diesen erschreckenden Trend. In Hessen bewegen sich die Zahlen zwar auf einem noch niedrigeren Niveau, dennoch ist ein klarer Anstieg erkennbar. Es ist außerdem von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da Straftaten oftmals gar nicht erst angezeigt werden. Um die betroffenen Bevölkerungsgruppen besser zu schützen und zu unterstützen, handeln wir in der hessischen Justiz. Mit der Einrichtung eines Beauftragten für die Verfolgung LSBTIQ*-feindlicher Straftaten bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main setzen wir ein klares Zeichen. Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen, denen Mitglieder der LSBTIQ*-Community immer wieder und inzwischen verstärkt ausgesetzt sind, sind unerträglich. Wir dürfen diese nicht hinnehmen. Die individuellen Angriffe sind schlimm genug. Daneben handelt es sich aber auch um Angriffe auf unsere Werteordnung und damit auf uns alle. Vielfalt ist ein Markenzeichen und ein Erfolgsgarant unserer Gesellschaft. Wir müssen das Toleranzversprechen unseres Grundgesetzes gerade in Zeiten der Zunahme extremer Kräfte am rechten Rand stärken und alle Menschen schützen. Dazu bedarf es eines handlungsfähigen Rechtsstaats und erforderlichenfalls auch der konsequenten Strafverfolgung. Durch den Beauftragten schaffen wir eine bessere Koordination der hessenweiten Verfolgung queerfeindlicher Straftaten. Er steht den örtlichen Staatsanwaltschaften, der Polizei und den Verbänden aus der Community mit Rat und Tat zur Seite. Außerdem werden wir die statistische Erfassung der Fälle verbessern, um ein präziseres Lagebild zu erhalten“, führte Justizminister Roman Poseck heute in Wiesbaden aus.
Staatsanwalt Dr. Nils Lund, Pressesprecher bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, ist ab sofort hessischer Beauftragter für die Verfolgung LSBTIQ*-feindlicher Straftaten. Er gehört der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen (ZET-HE) an, bei der die Stelle des Beauftragten angesiedelt ist. Als Beauftragter nimmt er folgende Aufgaben wahr:
1. Zentraler Ansprechpartner für die Polizei, insbesondere für die dort bereits etablierten LSBTIQ*-Ansprechpersonen, und für Einrichtungen aus der Community.
2. Vernetzung innerhalb der Community durch Öffentlichkeitsarbeit und Teilnahme an Veranstaltungen.
3. Justizinterner Ansprechpartner für Zweifelsfragen und Besonderheiten bei der Verfolgung LSBTIQ*-feindlicher Straftaten.
4. Hinwirken auf eine einheitliche Rechtsanwendung bei der Bearbeitung queerfeindlicher Delikte.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wird außerdem veranlassen, dass queerfeindliche Straftaten im staatsanwaltschaftlichen Bereich stärker statistisch in den Blick genommen werden, um aussagekräftigere Lagebilder zu erhalten. Durch die Hessische Justizakademie sollen zudem Fort- und Weiterbildungen angeboten werden, um den Geschäftsbereich für Besonderheiten bei der Bearbeitung der Verfahren und den Umgang mit Betroffenen zu sensibilisieren.
Der hessische Generalstaatsanwalt Torsten Kunze erklärte: „Die konsequente Verfolgung LSBTIQ*-feindlicher Straftaten ist ein wesentlicher Baustein, um alle betroffenen Personen gegen Anfeindungen und Gewalt zu schützen und sie mit ihren Verletzungen nicht allein zu lassen. Die hessischen Staatsanwaltschaften treten für Toleranz und Vielfalt in einer offenen Gesellschaft ein.“
Auch der Minister für Soziales und Integration, Kai Klose, befürwortet die Berufung des Beauftragten ausdrücklich: „Das ist ein weiterer Baustein, um der zuletzt zunehmenden Zahl gewalttätiger Übergriffe auf queere Menschen zu begegnen. Außerdem fügt sich die Einrichtung nahtlos in die Maßnahmen des gestern vorgestellten Hessischen Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt der Landesregierung ein. Darin wird die besondere Bedeutung der Erkennung queerfeindlicher Straftaten als politisch motivierte Kriminalität durch Polizei und Sicherheitsbehörden und deren konsequenter Verfolgung und Ahndung hervorgehoben.“
Zur Kontaktaufnahme und zum Austausch wurde bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main folgendes E-Mail-Postfach eingerichtet: LSBTIQ@gsta.justiz.hessen.de.
„Die Schaffung eines Beauftragten für die Verfolgung LSBTIQ*-feindlicher Straftaten und seine Aufgaben habe ich am Montag in einer Dienstbesprechung mit dem Generalstaatsanwalt und allen Leitenden Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälten in Hessen erörtert. Es bestand vollständiges Einvernehmen über die organisatorische Maßnahme und die hohe Bedeutung des strafrechtlichen Schutzes der LSBTIQ*-Community“, so Justizminister Roman Poseck abschließend.
(c) HMdJ, 14.07.2023