Am 16.02.2022 beginnt vor dem Landgericht Frankfurt am Main der Prozess gegen den mutmaßlichen Verfasser der Drohschreiben, die mit dem Kürzel „NSU 2.0“ unterzeichnet wurden. Die fraglichen Drohbriefe sind seit August 2018 an zahlreiche Personen – unter Verwendung nicht öffentlich zugänglicher Daten – verschickt worden, so auch mehrfach an eine Anwaltskollegin, die u. a. im NSU-Prozess Angehörige der Mordopfer der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund vertreten hatte. Bereits im Januar 2019 hatte sich die Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) intensiv mit dem Thema befasst, die in den Schreiben liegenden Angriffe auf die freie Berufsausübung der Anwaltschaft aufs Schärfste verurteilt und eine lückenlose Aufklärung des Sachverhaltes durch die zuständigen Behörden gefordert. Gut drei Jahre später beginnt nun die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten, dem u. a. Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen wird.
Die BRAK erinnert anlässlich des Prozessauftakts nachdrücklich an ihre Forderung. Im Rahmen der Hauptverhandlung muss eine lückenlose Aufarbeitung des Sachverhaltes stattfinden. Insbesondere muss aufgeklärt werden, wie der Angeklagte an die persönlichen Daten der Adressaten gelangen konnte und welche Rolle hierbei die hessische Polizei gespielt hat.
„In einem Rechtsstaat müssen wir darauf vertrauen dürfen, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihren Beruf ausüben können, ohne Gefahr für Leib und Leben fürchten zu müssen“, so BRAK-Präsident Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels. „Gemäß den UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte muss der Staat sicherstellen, dass jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt alle beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrnehmen kann. Dem Landgericht Frankfurt kommt dabei in diesem Prozess eine gewichtige Bedeutung zu. Wir vertrauen darauf, dass das erkennende Gericht den Sachverhalt umfassend beleuchten und aufklären wird.“
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Pressemitteilung vom 15. Februar 2022