In zwei Schadensersatzprozessen im Zusammenhang mit der Gasexplosion in Ludwigshafen/Oppau vom 23. Oktober 2014 hat der 1. Senat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken über die Haftung entschieden: Die Betreiberin der Gasleitung haftet voll, die beteiligten Bauunternehmen und deren Mitarbeiter hingegen nicht.
Am 23. Oktober 2014 war es bei Tiefbauarbeiten in Ludwigshafen/Oppau zur Beschädigung einer Gasleitung mit anschließender Explosion und einer über 100 Meter hohen Flammensäule gekommen. Hierbei wurden zwei Bauarbeiter getötet und weitere wurden verletzt. Zwei Berufsgenossenschaften leisteten v.a. Verletztenrente und Hinterbliebenengeld an diese Bauarbeiter bzw. deren Angehörige. Diese Leistungen verlangten sie sodann von der Betreiberin der Gasleitung und deren Mitarbeitern, aber auch von den beteiligten Bauunternehmen und deren leitenden Mitarbeitern ersetzt. Die Betreiberin hatte die Freilegung der Gasleitung in Auftrag gegeben, um diese an einer Schwachstelle zu reparieren. Zum Auffinden der Leitung wurden von Arbeitern beider Bauunternehmen maschinelle Suchschachtungen durchgeführt. Hierbei verließen sich die Bauarbeiter auf einen digitalen Leitungsplan. Bei dessen Erstellung – etwa 15 Jahre vor dem Unglück – war es allerdings zu Übertragungsfehlern gekommen, was den Bauunternehmen unbekannt war. Tatsächlich verlief die Gasleitung 1,5 Meter neben der im Plan eingezeichneten Stelle. Genau dort wurden am 23. Oktober 2014 Spundungen durchgeführt, bei denen es zur Explosion kam.
In der ersten Instanz hat das Landgericht Frankenthal (Pfalz) entschieden, dass die beiden Bauunternehmen und deren Mitarbeiter nicht haften, da sie von einer sozialrechtlichen Haftungsprivilegierung profitieren; nach dieser wird bei betrieblichen Unfällen nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gehaftet. Die Betreiberin der Gasleitung hingegen wurde mit einer Haftungsquote von 85 % verurteilt; diese Haftungsbeschränkung ergebe sich als Folge des sozialrechtlichen Haftungsprivilegs zugunsten der Bauunternehmen.
Auf die hiergegen gerichteten Berufungen hat das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken bestätigt, dass die beiden Bauunternehmen und deren Mitarbeiter nicht haften. Diesen sei schon kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen, so dass es auf das sozialrechtliche Haftungsprivileg nicht ankomme. Die Betreiberin der Gasleitung hafte deshalb nicht nur eingeschränkt, sondern zu 100 %. Diese Haftung ergebe sich aus dem Umstand, dass sie mit der Gasleitung eine gefährliche Anlage unterhalte. Deren Risiken hatten sich im Unglücksfall gerade verwirklicht, indem Gas aus der Leitung ausgetreten sei, das sich sodann entzündet habe.
Gegen diese Entscheidung wurde Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt.
Verfahrensgang:
Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteile vom 04.10.2021, Az. 4 O 380/17 und 4 O 53/20 (2)
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 29.11.2022, Az. 1 U 218/21, und Urteil vom 11.01.2023, Az. 1 U 210/21
Anmerkung:
Ein Parallelverfahren wurde nunmehr vom 7. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken ebenfalls in diesem Sinne mit Urteil entschieden. Ein Mitarbeiter des die Schachtungsarbeiten ausführenden Bauunternehmens verklagte die Gasleitungsbetreiberin in diesem Prozess auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Klage des Bauarbeiters war vor dem Landgericht im Wesentlichen erfolgreich und das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat die Berufung der Gasleitungsbetreiberin hiergegen unter Verweis auf deren alleinige Haftung zurückgewiesen. Die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof läuft für dieses Urteil noch.
Verfahrensgang:
Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 05.05.2021 – 7 O 588/18
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 28.06.2023 – 7 U 106/21
(c) OLG Zweibrücken, 11.07.2023