Zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 erklärt Kassem Taher Saleh, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:
Vor 70 Jahren gingen über eine Million Menschen auf die Straße und demonstrierten gegen das SED-Regime. Sie forderten den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Senkung der Lebensmittelpreise und die Verbesserung der Sozialfürsorge. Viele bezahlten diese Forderungen mit dem Tod, rund 15.000 Menschen wurden verhaftet. Ihr Mut soll am morgigen Gedenktag im Mittelpunkt stehen. Wir zollen ihnen Respekt und Anerkennung für ihren Demokratiekampf.
Der Jahrestag dient aber auch als Bilanz für die bisherige Aufarbeitung des Unrechts und die Entschädigung und Anerkennung der Opfer und Betroffenen. Vieles wurde erreicht: Die Stasi-Unterlagenbehörde wurde aufgebaut und ist jetzt im Bundesarchiv angesiedelt. Die Bundesstiftung Aufarbeitung leistet hervorragende Arbeit und vor knapp zwei Jahren wurde das Amt der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag eingerichtet. Das sind wichtige Meilensteile.
Doch vieles ist noch ungenügend. Dazu gehört unter anderem die ausbleibende Aufarbeitung der Zwangsarbeit, die politische Gefangene in Haft unter inhumanen Bedingungen leisten mussten. Viele der von ihnen hergestellten Produkte wurden an Firmen aus der BRD verkauft. Auch beim Thema Staatsdoping kämpfen viele damalige Sportlerinnen und Sportler noch heute für eine Anerkennung. Genauso die Kinder in den ehemaligen Jugendwerkhöfen, deren Biographien so früh schon zerbrochen wurden. Oder die Vertragsarbeiter*innen aus dem Globalen Süden, beispielsweise aus Mosambik, Vietnam oder Namibia.
Grundsätzlich müssen mehr Menschen in Deutschland über die DDR und den Widerstand gegen das SED-Regime lernen, gerade auch in der Schule. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage sagt das Datum 17. Juni nur jeder siebten Person im Alter von 14-29 etwas. Der Jahrestag sollte also Anlass sein, über den Volksaufstand und die Unterdrückung der Bürger*innen in der DDR zu sprechen.