Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss vom 9. Februar 2022 bekräftigt, dass im Mai 2019 im räumlichen Umfeld der Pforzheimer Synagoge angebrachte Wahlplakate der Partei „Die Rechte“ den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Dem Antrag des Vorstandsvorsitzenden der jüdischen Gemeinde Pforzheim, die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zur Anklageerhebung gegen die Parteivorsitzenden oder zu weiteren Ermittlungen zu verpflichten, gab der Senat dennoch keine Folge, weil er die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, individuell zu belangende Täter seien nicht zu ermitteln, als rechtlich nicht zu beanstanden angesehen hat.
Die Wahlplakate mit den Aufschriften „Zionismus stoppen: Israel ist unser Unglück! Schluss damit!“ sowie „Wir hängen nicht nur Plakate!“ hatten das Oberlandesgericht Karlsruhe bereits in der Vergangenheit beschäftigt. Nachdem die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zunächst von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen und die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe diese Entscheidung bestätigt hatte, ordnete das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 26. Februar 2020 auf einen Klageerzwingungsantrag des Antragstellers hin die Aufnahme von Ermittlungen an. Zur Begründung führte der Senat damals aus, es liege ausgesprochen nahe, dass das zuerst genannte Plakat nicht zu dem Zweck bei der Synagoge angebracht worden sei, Kritik am Staat Israel zu üben, sondern dass es sich um eine speziell gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland gerichtete Aussage handele, durch welche der Eindruck einer Bedrohung durch diese erweckt werden solle. Deshalb – und so bekomme das neben dem ersten angebrachte zweite Plakat „Wir hängen nicht nur Plakate!“ seinen Sinn – signalisierten die Verfasser als Reaktion auf die behauptete Bedrohung Gewaltbereitschaft und kündigten – unter Einbindung des beworbenen Lesers – Selbstjustiz an.
Die in der Folge aufgenommenen Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mit Verfügung vom 7. Mai 2021 mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe keinen Erfolg, weshalb der Antragsteller erneut Klageerzwingungsantrag beim Oberlandesgericht Karlsruhe gestellt hat. Dieser Antrag wurde nunmehr als unbegründet verworfen.
Das Oberlandesgericht hat dabei zunächst seinen Beschluss vom 26. Februar 2020 ausdrücklich bestätigt, wonach die in Pforzheim aufgehängten Wahlplakate den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Plakate nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen nicht unmittelbar vor der Synagoge, sondern in circa 110 Metern Entfernung an einem Laternenmast gegenüberliegend angebracht waren. Auch stünde einer Anklageerhebung kein unvermeidbarer Verbotsirrtum auf Seiten der Beschuldigten entgegen.
Allerdings rechtfertigen nach den weiteren Ausführungen des Senats tatsächliche Gründe die Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft. Die Verantwortlichkeiten für die Plakatgestaltung und -verwendung sowie die innerparteilichen Abläufe der Entscheidungsfindung für die Gestaltung und deutschlandweite Verbreitung der Plakate einschließlich der Orte ihrer Anbringung konnten im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht aufgeklärt werden. Auch die Durchsuchung der Räumlichkeiten des Bundesverbandes der Partei „Die Rechte“ in Dortmund am 2. Mai 2019 durch die Staatsanwaltschaft Dortmund im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und versuchten Wahlfälschung ergab keine Hinweise zu den Verantwortlichkeiten für die Gestaltung oder Verwendung der Plakate. Zwar liegt es nahe, dass die beschuldigten Tatverdächtigten aufgrund ihrer Stellung als Parteivorsitzende an den Entscheidungen zur Gestaltung und Verbreitung der in Pforzheim angebrachten Plakate mitgewirkt haben. Hinreichend konkrete Beteiligungsbeiträge konnten aber nicht ermittelt werden. Eine nachweisbare individuelle Verantwortlichkeit ist jedoch nach dem im Strafrecht geltenden Schuldprinzip zwingende Voraussetzung für die Möglichkeit einer strafrechtlichen Ahndung. Vor diesem Hintergrund konnte der Antrag, die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung zu verpflichten, keinen Erfolg haben.
Die – im Klageerzwingungsverfahren nur ausnahmsweise mögliche – Anordnung weiterer Ermittlungen scheiterte bereits an dem formalen Umstand, dass der Antragsteller nicht dargelegt hat, von der Erhebung welcher Beweise die Staatsanwaltschaft abgesehen hat und welche Ergebnisse von dieser Beweiserhebung zu erwarten gewesen wären.
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts ist kein Rechtsmittel gegeben.
Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Februar 2022, Aktenzeichen: 1 Ws 189/21
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, Pressemitteilung vom 9. Februar 2022