Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichtem Urteil auf die Sprungrevision hin das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben, mit welchem die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Erteilung einer Sperrfrist abgelehnt worden war.
Der Angeklagte befuhr im Frühjahr 2022 nach Mitternacht die Niedenau in Frankfurt am Main. Seine Blutalkoholkonzentration lag bei mindestens 1,64 Promille. Er hatte sich nach einem vorausgegangenen Barbesuch, bei dem er Wodka-Soda und Bier getrunken hatte, spontan dazu entschlossen, für die Rückfahrt ins Europaviertel einen E-Scooter zu nutzen.
Das Amtsgericht hat ihn wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 € und einem Fahrverbot von sechs Monaten verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde dem Angeklagte nicht entzogen. Hiergegen wendet sich die Amtsanwaltschaft mit ihrer Sprungrevision. Das OLG hat das amtsgerichtliche Urteil daraufhin insoweit aufgehoben, soweit es die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Bestimmung einer Sperrfrist für die Neuerteilung abgelehnt hat.
Die Fahrerlaubnis sei zwingend zu entziehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür gegeben seien (§ 69 Abs. 1 S. 1 StGB), begründete das OLG die Entscheidung. Dies sei der Fall, „wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist“. Es bestehe weder Raum für ein Ermessen des Tatrichters noch finde eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Die Begehung einer Trunkenheitsfahrt – wie hier – begründe eine Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Nur wenn sich die Tatumstände von denen eines Durchschnittsfalls deutlich abheben würden, könne in seltenen Ausnahmen von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgewichen werden. Derartige Gründe habe das Amtsgericht hier zu Unrecht angenommen:
Der Umstand, dass der Angeklagte nicht Auto, sondern E-Scooter gefahren ist, sei unerheblich. Nach der Wertung des Verordnungsgebers seien auch Elektrokleinstfahrzeuge – wie E-Scooter – Fahrzeuge (§ 1 eKFV) und unterlägen damit den für sie geltenden allgemeinen Vorschriften.
Es überzeuge auch nicht der Hinweis des Amtsgerichts, dass die Benutzung eines E-Scooters durch einen betrunkenen Fahrer andere Menschen nicht in gleichem Maße gefährde wie die Trunkenheitsfahrt eines Kraftfahrzeugfahrers. „Der Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers infolge eines Zusammenstoßes mit dem E-Scooter (könne) ganz erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursach (en)“, betonte das OLG und verwies zudem auf mögliche Ausweichmanöver stärker motorisierter Verkehrsteilnehmer durch alkoholbedingte Fahrfehler eines E-Scooter-Fahrers. Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis solle nicht nur verhindert werden, dass der Täter weiterhin betrunken Kraftfahrzeuge fahre. Bezweckt werde vielmehr ganz allgemein der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs.
Der Angeklagte habe hier durch seine gedankenlose Nutzung eines E-Scooters in erheblich alkoholisiertem Zustand die Katalogtat der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt erfüllt und sich damit grundsätzlich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Das Amtsgericht habe nun die Sache neu zu verhandeln und zu entscheiden, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der neue Tatrichter Feststellungen treffe, die die Regelvermutung hier tragfähig widerlegen könnten.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.05.2023, Az. 1 Ss 276/22
(vorausgehend Amtsgericht Frankfurt, Urteil vom 06.10.2022, Az. 981 Ds 938 Js3 3612/22)