Der Rechtsausschuss hat am Mittwochmorgen einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Änderungen im Sanktionsrecht (20/5913) beschlossen. Vorgesehen sind unter anderem Änderungen im Bereich der Ersatzfreiheitstrafe sowie im Maßregelvollzug. Der Ausschuss ergänzte den Entwurf unter anderem um eine vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung zur Verfolgung von bestimmten Straftaten im Ausland. Der so geänderten Vorlage stimmten die Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Enthaltung der Fraktionen von CDU/CSU und Die Linke sowie Ablehnung der AfD-Fraktion zu.
Der Entwurf sieht vor, den Umrechnungsmaßstab einer Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe zu halbieren. Bisher gilt, dass für einen Tagessatz Geldstrafe ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wird, wenn eine verurteile Person die auferlegte Geldstrafe nicht begleich. Künftig soll ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tagessätzen entsprechen.
In Zusammenhang mit dieser Änderung nahm der Ausschuss zwei Änderungen auf Antrag der Koalitionsfraktionen an. So sollen Gerichte zum einen bei der Verhängung von Geldstrafen künftig explizit darauf achten, „dass dem Täter mindestens das zum Leben unerlässliche Minimum seines Einkommens verbleibt“. Paragraf 40 Absatz 2 Strafgesetzbuch soll entsprechend ergänzt werden. Wie die Koalitionsfraktionen zur Begründung ausführen, werde mit der Einfügung die obergerichtliche Rechtsprechung kodifiziert, nach der insbesondere bei Empfängern von Sozialleistungen eine Abweichung von Nettoeinkommensprinzip geboten sei. Zum anderen soll die schon im Regierungsentwurf im neu gefassten Paragraf 463d Strafprozessordnung vorgesehene Einbindung der Gerichtshilfe bei unter anderem der Anordnung von Ersatzfreiheitsstrafen zu einer Soll- statt einer Kann-Regelung werden.
Mit dem Änderungsantrag wird die Begründung des Gesetzentwurfes zudem um Hinweise des Rechtsausschusses ergänzt. So wird unter anderem ausgeführt, warum die Neuregelung des Umrechnungsmaßstabes nicht auf andere Vorschriften übertragen wird. Dieses Thema war in der Anhörung zum Entwurf unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert worden.
Zudem habe sich der Ausschuss laut Koalitionsantrag damit auseinandergesetzt, „ob eine gezielte Entkriminalisierung von Bagatelldelikten, die besonders häufig zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe führen, einen Beitrag zur Vermeidung einer Anordnung und Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen leisten kann“. Der Ausschuss halte es für sinnvoll, „insbesondere die Strafbarkeit der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs ohne gültigen Fahrausweis als Beförderungserschleichung“ (Paragraf 265a Strafgesetzbuch) zu überprüfen.
Ferner begrüßt der Ausschuss laut Änderungsantrag die Prüfung des Strafbefehlsverfahrens durch die Bundesregierung. So solle insbesondere überprüft werden, „wie verhindert werden kann, dass durch Strafbefehl verhängte Geldstrafen de facto automatisch zu einer Ersatzfreiheitsstrafe führen können“.
Eine weitere wesentliche Neuregelung des Gesetzentwurfes betrifft den Maßregelvollzug. So sollen die Regelungen zur Unterbringungen in Entziehungsanstalten enger gefasst und die Modalitäten, wie sich die Zeit in einer Entziehungsanstalt auf die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung auswirkt, angepasst werden. Auf Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wird der Entwurf nunmehr um einen Hinweis zum Umgang mit mangelnden Sprachkenntnissen bei der Beurteilung der Behandlungsprognose ergänzt.
Auf Vorschlag des Bundesrates in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung soll künftig die Geltung des deutschen Strafrechts auch für bestimmte im Ausland begangene Taten, etwa Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, ausgeweitet werden. Bisher können für diese Taten nur Personen in Deutschland belangt werden, die zum Tatzeitpunkt Deutsche sind. Künftig soll dies auch für Personen gelten, die ihre Lebensgrundlage in Deutschland haben. Die Bundesregierung hatte dem Vorschlag schon in ihrer Gegenäußerung zugestimmt. Entsprechende Ergänzungen sind im Paragraf 5 Strafgesetzbuch ( „Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug“) vorgesehen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht zudem Änderungen am Katalog der Strafzumessungsgründe sowie bei Anordnungen von Maßnahmen im Zusammenhang von Bewährungsaussetzungen und Einstellungsentscheidungen vor. An diesen Neuregelungen nahm der Ausschuss keine Änderungen vor.
Ein Änderungsantrag der AfD-Fraktion sowie ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zu dem Entwurf fanden jeweils keine Mehrheit. Ebenfalls ohne Mehrheit blieb der Antrag der Fraktion Die Linke „Für eine Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe und eine Geldstrafe nach dem Einbußeprinzip“ (20/4420).
©️ HiB Nr. 384, 25.05.23