Berlin (DAV). Rechtsstaat, Zugang zum Recht, Digitalisierung, Empirie: Zum Start der Koalitionsverhandlungen stellt der Deutsche Anwaltverein (DAV) klar, worauf es rechtspolitisch in den nächsten vier Jahren ankommt. Die Rolle der Anwaltschaft ist dabei essenziell.
Zu den rechtspolitischen Must-haves der kommenden vier Jahre zählt zuvorderst das klare Bekenntnis zum Rechtsstaat und der Rolle der Anwaltschaft darin. „Der Rechtsstaat steht nicht nur für den Schutz vor staatlicher Willkür“, betont Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des DAV. „Der Rechtsstaat ist auch eine Verpflichtung des Staates zu einem von den wirtschaftlichen Verhältnissen unabhängigen, gleichmäßigen Zugang zum Recht – als Gegenleistung für das staatliche Gewaltmonopol.“ Als erste Anlaufstelle für Bürger:innen und Unternehmen garantiere die Anwaltschaft diese Funktion. Diese klare Werteentscheidung müsse im Koalitionsvertrag erkennbar sein.
„Der Rechtsstaat ist auch eine Verpflichtung des Staates zu einem von den wirtschaftlichen Verhältnissen unabhängigen, gleichmäßigen Zugang zum Recht – als Gegenleistung für das staatliche Gewaltmonopol.“
DAV-Präsidentin Kindermann
Damit der Zugang zum Recht in seiner Gesamtheit bezahlbar bleibt, braucht es eine regelmäßige Anpassung der gesetzlichen Vergütung an die wirtschaftliche Gesamtentwicklung – in jeder Legislatur. „Unser gesamtes System der Kostenerstattung basiert auf einer gesetzlichen Gebührenordnung“, betont Kindermann. „Wenn wir wollen, dass anwaltlicher Rat nicht nur vermögenden Personen vorbehalten ist, muss die gesetzliche Vergütung für die Anwaltschaft auskömmlich sein.“
Die Zukunft von Justiz, Rechtspflege und Rechtsdienstleistung ist ohne Digitalisierung nicht denkbar. Hierbei darf es aber nicht nur um die – unstreitig notwendige – technische und personelle Ausstattung der Gerichte gehen. „Die Verfahrensordnungen brauchen dringend ein Update, natürlich mit Einbindung der Anwaltschaft“, so die DAV-Präsidentin. „Denn den großen Schritt in die Digitalisierung können wir nur gemeinsam gehen.“
In der vergangenen Legislaturperiode wurde eine Vielzahl neuer oder schärferer Strafgesetze verabschiedet. Das kann so nicht weitergehen. „Es kann für gesellschaftliche Probleme und unerwünschtes Verhalten nicht nur das Mittel der Repression geben. Das Strafrecht kann bei weitem nicht alles lösen“, mahnt Kindermann und pocht auf notwendige Empirie: „Wir müssen weg von der Symbolpolitik und hin zu einer evidenzbasierten Gesamtlösung.“ Strafrecht müsse Ultima Ratio sein.
Der DAV warnt auch vor Angriffen auf das anwaltliche Berufsgeheimnis. In der letzten Legislaturperiode geriet es von mehreren Seiten „unter Druck“, etwa beim – letztlich gescheiterten – Unternehmenssanktionsrecht.
Quelle: Deutscher Anwaltverein e.V. Pressemitteilung vom19.10.2021