In Hessen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 7.333 Sexualstraftaten registriert. Dies entspricht einer Steigerung von 31,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Aufklärungsquote befindet sich nach wie vor mit rund 88,2 Prozent auf einem hohen Niveau (2020: 86,7 Prozent). Der Kampf gegen Kindesmissbrauch sowie gegen die Verbreitung von Kinderpornografie hat für das Land Hessen höchste Priorität. Eine Besondere AufbauOrganisation (BAO) FOKUS (Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie Und Sexuellen Missbrauch von Kindern) der hessischen Polizei bündelt seit Oktober 2020 alle strategischen und polizeilichen Maßnahmen, um Kindesmissbrauch und Kinderpornographie in Hessen mit aller Härte zu bekämpfen. Zugleich zeigt eine Sonderauswertung der hessischen Polizei, dass insbesondere bei Jugendlichen in Hessen eine signifikante Fallsteigerung zu verzeichnen ist. In Hessen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 3.149 Straftaten im Bereich der Kinder- und Jugendpornografie registriert. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung von insgesamt 86,1 Prozent. Die Aufklärungsquote befindet sich trotz dieses deutlichen Anstiegs mit rund 96,1 Prozent im Bereich der Kinder- und Jugendpornografie auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2020 (97,1 Prozent). Im Deliktsbereich Kinder- und Jugendpornografie wurden im Jahr 2021 rund 1.545 Tatverdächtige ermittelt, die unter 21 Jahre alt sind. Der Anteil an allen Tatverdächtigen beträgt rund 51,5 Prozent.
Aufgrund der signifikanten Fallsteigerung gerade bei jungen Menschen haben das Hessische Innenministerium und die hessische Polizei reagiert und heute eine hessenweite Beratungs- und Hilfehotline zur Prävention und Aufklärung über die Verbreitung von Kinder- und Jugendpornographie eingerichtet. Unter der Rufnummer 0800 – 55 222 00 können sich ab sofort hilfesuchende Eltern und junge Menschen vertrauensvoll an die Präventionsexperten der hessischen Polizei wenden. Hintergrund ist vor allem, dass immer häufiger – meist unbedarft – einschlägige Bilder und Videos von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden über soziale Netzwerke sowie Messenger-Dienste wie WhatsApp, Facebook, Snapchat, tiktok oder Instagram verbreitet werden.
„Der Kampf gegen Kinderpornografie und den sexuellen Missbrauch von Kindern hat höchste Priorität. Um Sexualstraftäter zur Strecke zu bringen, müssen wir alle rechtlichen und taktischen Mittel ausschöpfen. Parallel investieren wir gezielt in den Aufbau einer Forensikplattform. Wir setzen alles daran, sexuellen Missbrauch und weitere schreckliche Verbrechen gegen Kinder zu verhindern. Denn hinter jeder kinder- und jugendpornografischen Darstellung steckt mindestens ein betroffenes Kind. Darüber hinaus setzt die hessische Polizei verstärkt auf Prävention: mit mehr Aufklärung und Beratung. Unsere neue landesweite Hotline soll vor allem Jugendlichen und ihren Eltern Hilfe bieten. Wir müssen Kinderpornographie mit allen präventiven und repressiven Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, bekämpfen“, so Innenminister Peter Beuth.
„Das Strafrecht unterscheidet nicht, wer die Inhalte versendet: Auch Jugendliche und Heranwachsende, die in der digitalen Welt ihre Sexualität entdecken, sexualisierte Fotos und Videos aus freien Stücken aufnehmen bzw. sie herunterladen und teilen, können sich strafbar machen. Und das sehen wir auch an der Statistik. Viele Tatverdächtige im Bereich der Kinderpornografie sind deshalb mittlerweile jünger als 21 Jahre. Was viele nicht wissen: Nicht nur eigenes Einstellen und aktives Weiterleiten von solchen Darstellungen stehen unter Strafe, sondern auch der Erhalt von kinder- und jugendpornografischen Inhalten in Chat-Gruppen oder sozialen Medien kann bereits strafbar sein“, so Andreas Röhrig, Präsident des Hessischen Landeskriminalamtes.
Flyer, Info und Notfallkarten
Unter der Rufnummer 0800 55 222 00 erhalten Bürgerinnen und Bürger ab sofort von Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr Hilfe und Beratung durch die Präventionsexperten der hessischen Polizei*. Auch außerhalb dieser Zeiten und unabhängig von dem neuen Angebot können sich Hilfesuchende jederzeit und weiterhin an ihre nächstgelegene Polizeidienststelle wenden. Eltern, Schulen sowie sonstige Einrichtungen für Kinder- und Jugendliche werden zudem mit Aufklärungsflyern, Informationskarte mit Fragen und Antworten sowie Notfallkarte für das wichtige Thema und die neue Hilfehotline sensibilisiert. Die hessische Polizei steht allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Institutionen darüber hinaus mit den Expertinnen und Experten aus den Präventionsdienststellen der jeweiligen Polizeipräsidien und dem Hessischen Landeskriminalamt bei weiteren Fragen gerne zur Verfügung und bietet an, bei Bedarf in möglichst zentralen Informationsveranstaltungen, zu unterstützen.
BAO FOKUS: Mehr als 1.700 Durchsuchungen in Hessen
Über die wichtige Präventionsarbeit der hessischen Polizei hinaus werden Sexualdelikte in Hessen mit aller Härte und Konsequenz strafrechtlich verfolgt. Seit dem 1. Oktober 2020 bündelt und intensiviert die BAO FOKUS die polizeilichen Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornographie in Hessen. In dieser Zeit wurden hessenweit mehr als 1.700 Durchsuchungen durchgeführt, 22 Haftbefehle vollstreckt und über 29.000 Datenträger (PCs und Notebooks, externe Speichergeräte, Spielekonsolen, CDs/DVDs und mobile Endgeräte) sichergestellt. Zudem erfolgten bei mehr als 1.000 Beschuldigten erkennungsdienstliche Maßnahmen und knapp 500 Beschuldigte wurden unmittelbar nach der Durchsuchung vernommen. Den Beschuldigten werden insbesondere sexueller Missbrauch von Kindern oder Erwerb und Besitz von Kinder- und Jugendpornografie vorgeworfen.
„Die hessische Polizei geht mit der hessenweiten BAO FOKUS noch zielgerichteter und unter Ausschöpfung aller taktischen und rechtlichen Mittel gegen Sexualstraftäter und den Besitz von Kinderpornografie vor. Wer Kinder sexuell missbraucht, muss mit der gesamten Macht des Staates kompromisslos bekämpft werden. Wir haben deshalb mit der BAO FOKUS in der hessischen Polizei eine spezialisierte Einheit mit mehr als 160 Ermittlern gebildet, die sich in ganz Hessen konzentriert der Verfolgung von Sexualstraftätern widmet und zudem die weltweiten Fahndungen gegen Kinderpornographie unterstützt. Mit den Maßnahmen der BAO FOKUS unterstreicht die hessische Polizei, dass der Kampf gegen Kindesmissbrauch höchste Priorität hat“, so Innenminister Peter Beuth.
In den letzten Jahren sind weltweit und auch in Deutschland schockierende Verbrechen im Bereich Kinderpornographie und dem sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen aufgedeckt worden. In vielen Fällen erhalten die hessischen Ermittlungsbehörden Hinweise von Internetdienstleistern oder der US-amerikanischen Organisation „National Center for missing and exploited children“ (NCMEC), die von Internetprovidern über Missbräuche im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert wird. Alleine im vergangenen Jahr wurden hessenweit im Durchschnitt an jedem Tag mehr als drei Beschlussvollstreckungen durchgeführt, um einschlägigen Sexualstraftätern habhaft zu werden. Dabei gehen die Ermittlerinnen und Ermittler besonders akribisch jeder Verdachtsmeldung nach.
Durch die Bündelung der Ermittlungsarbeit innerhalb der BAO FOKUS konnten bereits zahlreiche Erfolge erzielt werden. So konnten beispielsweise im vergangenen Jahr zwei Sexualstraftäter aus Hessen, denen der Verdacht des sexuellen Missbrauchs an Kindern in mehreren Fällen sowie weitere Straftaten zur Last gelegt werden, festgenommen werden.
Aber auch gegen den sexuellen Missbrauch im Internet geht die BAO FOKUS vor. Im Juli 2021 wurde ein sogenannter mutmaßlicher Cybergroomer festgenommen. Der 47-jährige Mann aus Hessen steht im Verdacht, via Instagram-Messenger Kontakt zu einer 13-Jährigen aufgenommen und sich sexuell an ihr vergangen sowie zu weiteren Kindern Kontakt gesucht zu haben. Die Ermittlungen dauern an.
Im September 2021 haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BAO FOKUS gegen 35 Männer ermittelt, die verdächtig sind, Inhalte im Internet abgerufen zu haben, die zum größten Teil schwerste sexuelle Missbrauchshandlungen an Säuglingen und Kleinkindern zeigten. Den Maßnahmen waren internationale Ermittlungen vorangegangen, die auf einem Hinweis aus dem Ausland der Nichtregierungsorganisation NCMEC aus den USA basieren. Die Organisation wird von Internetprovidern über Missbräuche im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert und leitet diese Informationen weiter, auch an die hessischen Ermittlungsbehörden.
Die BAO FOKUS hatte am 1. Oktober 2020 ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist im Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) zentral angesiedelt und hat in sämtlichen Polizeipräsidien Regionalabschnitte gebildet, um zentral koordiniert landesweit Ermittlungsverfahren zu führen. Mit über 160 Ermittlerinnen und Ermittlern verfolgt die hessische Polizei gezielt Sexualverbrechen an Schutzbefohlenen. Zur Verfolgung hessischer Sexualstraftäter setzt die BAO auch Zielfahnder ein.
Landesregierung investiert vier Millionen für neue Forensikplattform
Das Hessische Landeskriminalamt und der INNOVATION HUB 110 des Hessischen Präsidiums für Technik entwickeln zurzeit gemeinsam eine Forensikplattform, um die Bekämpfung von Kinderpornographie weiter zu verbessern. Vier Millionen Euro stehen für diese moderne IT-Infrastruktur bereit und sind im Haushalt der Hessischen Landesregierung fest hinterlegt. Daten können so deutlich schneller und zielgerichteter ausgewertet werden – dies ermöglicht Täternetzwerke zu enttarnen und Täter schneller festzunehmen, um Missbrauch von Kindern wirkungsvoll zu verhindern. Durch die weltweite Verbreitung und Verfügbarkeit von kinderpornografischen Darstellungen im Internet stellt allein die Anzahl an Datenträgern bzw. Flut an Datenmaterial, die bei jeder Durchsuchungsmaßnahme sichergestellt und ausgewertet werden müssen, die Ermittler permanent vor große Herausforderungen.
Lange Verjährungsfristen bei sexuellem Kindesmissbrauch
Die strafrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Kindesmissbrauch ruhen bis zum vollendeten 30. Lebensjahr des Opfers. Die Verjährungsfristen für sexuellen Kindesmissbrauch betragen dann, je nach Schwere der Tat, zwischen fünf und 20 Jahren. Opfer können also auch noch im Erwachsenenalter Taten aus der Kindheit zur Anzeige bringen. Die hessische Polizei ruft dazu auf, solche Taten zur Anzeige zu bringen, damit Täter bestraft und so womöglich weitere Straftaten an Schutzbefohlenen verhindert werden können. Die hessische Polizei arbeitet im Bereich des Opferschutzes eng mit verschiedenen Hilfseinrichtungen zusammen, sodass Opfern und deren Angehörigen schnell Hilfe und Beratung zuteilwird.
Quelle: Hessisches Ministerium des Innern und für Sport, Pressemitteilung vom 2. Februar 2022