Die Generalstaatsanwaltschaft München führte seit Oktober 2022 ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern gegen insgesamt vier Beschuldigte im Zusammenhang mit möglichen Abstimmungen im Stadtrat oder Haupt- und Finanzsenat der Stadt Aschaffenburg in den Jahren 2015 und 2019. Anlässlich des Erwerbs von zwei Baufeldern in Aschaffenburg von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA) durch eine private Bauträgerfirma bestand der Verdacht, dass insbesondere durch verschleierte Bestechungsgelder auf ein etwaiges Abstimmungsverhalten des Stadtrats Einfluss genommen wurde. Die Stadt Aschaffenburg besaß eine Erstzugriffsoption für den Erwerb der Grundstücke, auf die jedoch verzichtet wurde. Die in enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landeskriminalamt geführten Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München konnten eine Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nicht bestätigen.
Das Ermittlungsverfahren wurde zunächst durch die Staatsanwaltschaft Würzburg aufgrund einer Mitteilung des Finanzamtes Würzburg mit Außenstelle Ochsenfurt im September 2022 eingeleitet, weil die Betriebsprüfungsstelle beim Finanzamt Aschaffenburg bei der Bauträgerfirma im Rahmen einer Außenprüfung verdächtige Zinszahlungen in Bezug auf zwei mit einem Stadtratsmitglied abgeschlossenen Darlehensverträge feststellte. Danach gewährte der Stadtrat der Bauträgerfirma nach dem Erwerb des ersten Baufeldes von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben im Jahr 2015 ein Darlehen im unteren sechsstelligen Bereich. Als Darlehenszins wurde eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 15 Prozent an dem Erlös aus dem Bauvorhaben, mindestens aber ein Betrag im sechsstelligen Bereich vereinbart. Die nominelle Laufzeit des Darlehensvertrags betrug rund 70 Monate, was bei einer Zugrundelegung des vereinbarten Mindestzinsbetrags einer durchschnittlichen jährlichen Verzinsung von rund 9,6 Prozent entsprach. Tatsächlich wurde der vereinbarte Mindestzinsbetrag bereits vor Ablauf der Hälfte der Laufzeit unter Verzicht auf weitere Zahlungen vollständig beglichen und auch das Darlehen vorzeitig zurückbezahlt. Nach dem Erwerb des zweiten Baufeldes im Jahr 2019 gewährte der Stadtrat der Bauträgerfirma wiederrum ein Darlehen im unteren sechsstelligen Bereich, mit einer vereinbarten Verzinsung bezogen auf eine nominelle Laufzeit von rund 24 Monaten in Höhe von 15 Prozent.
Es bestand daher der Verdacht, dass durch die Vereinbarung von hohen marktunüblichen Zinsen das Stadtratsmitglied im Gegenzug auf die Verneinung eines Erwerbsinteresses der Baufelder seitens der Stadt Aschaffenburg im Haupt- und Finanzsenat sowie im Plenum des Stadtrats hinwirken sollte. Mit der Erstzugriffsoption eröffnet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben u.a. Kommunen die Möglichkeit, Immobilien zum Verkehrswert ohne Bieterverfahren zu erwerben. Kaufangebote Dritter bleiben dann unberücksichtigt.
Aufgrund der bestehenden Sonderzuständigkeit wurde das Verfahren im Oktober 2022 von der Generalstaatsanwalt München übernommen. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurden im Dezember auf Veranlassung der Generalstaatsanwaltschaft München zusammen mit dem Bayerischen Landeskriminalamt und weiteren Polizeieinheiten sieben Objekte in der Stadt und im Landkreis Aschaffenburg sowie im angrenzenden Hessen durchsucht und Beweismittel, insbesondere auch in Form von elektronischen Datenträgern, sichergestellt und in der Folge ausgewertet.
Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen konnte eine nach dem Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern gemäß § 108e Strafgesetzbuch erforderliche Unrechtsvereinbarung zwischen der privaten Bauträgerfirma, vertreten durch ihre Geschäftsführer, und dem Stadtratsmitglied nicht festgestellt werden.
Nach den beim Büro des Oberbürgermeisters der Stadt Aschaffenburg eingeholten Auskünften wurden die Entscheidungen über die Ausübung oder Nichtausübung des durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben eröffneten Erstzugriffsrechts sowie des zudem nach dem Baugesetzbuch bestehenden gesetzlichen Vorkaufsrechts im Jahr 2015 rein auf Verwaltungsebene als sogenannte Geschäfte der laufenden Verwaltung getroffen. Der Stadtrat wurde damit nicht befasst. Damit ist eine für den Bestechungstatbestand erforderliche Handlung bei der Wahrnehmung des Mandats als Mitglied des Stadtrats oder eines Senats von vornherein ausgeschlossen.
Auch im Jahr 2019 ist nach dem Ermittlungsergebnis davon auszugehen, dass die Entscheidung über den Verzicht auf das Erstzugriffsrecht auf Verwaltungsebene gefallen ist. Ein Stadtratsbeschluss zu dieser Frage konnte nicht aufgefunden werden. Soweit der Stadtrat von Aschaffenburg am 27.05.2019 einstimmig beschloss, sein gesetzliches Vorkaufsrecht auszuüben, der privaten Baufirma jedoch die Möglichkeit zur Abwendung des Vorkaufsrechts einräumte, indem sie drei Wohnungen in einem anderen von ihr erstellten Objekt mit befristeter Mietpreisbindung für Schwellenhaushalte zur Verfügung stellt, ist eine mögliche Einflussnahme im Sinne einer getroffenen Unrechtsvereinbarung ebenfalls nicht erkennbar.
Durch vorgenannten Beschluss wurden nämlich vor allem eigene wohnungsbaupolitische Ziele der Stadt Aschaffenburg verfolgt und umgesetzt. So wurden gegenüber der Bauträgerfirma Auflagen zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums durchgesetzt, obwohl man zu diesem Zeitpunkt nicht über einen Haushaltsansatz in ausreichender Höhe verfügte, um in den Kaufvertrag zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und der Bauträgerfirma auf Käuferseite einzutreten.
Die zwischen dem Stadtratsmitglied und der Bauträgerfirma geschlossenen Darlehensverträge und die darin vereinbarten, vergleichsweise hohen Zinsen konnten als mögliches Indiz für eine Unrechtsabrede nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen ebenfalls entkräftet werden. So konnte die Bauträgerfirma nachvollziehbar darlegen, dass Darlehen mit ähnlich hohen Zinssätzen auch mit mehreren anderen Personen und Unternehmen geschlossen wurden, um sich das nötige Kapital zu beschaffen, das die projektfinanzierende Bank im Rahmen ihrer Kreditgewährung einforderte. Da die dritten Darlehensgeber regelmäßig keine dinglichen Sicherheiten eingeräumt bekämen, trügen dem deshalb bestehenden höheren Ausfallrisiko die höheren Zinsen Rechnung.
Nach den umfangreich und sorgfältig geführten Ermittlungen wurde demzufolge das Ermittlungsverfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft München eingestellt.
Quelle: Generalstaatsanwaltschaft München, Pressemitteilung vom 3. Mai 2023