Hessen hat als erstes Bundesland bereits 1987 mit der Schaffung des betreuten Zeugenzimmers beim Landgericht Limburg auf die mitunter schwierige Situation der Gerichtszeugen reagiert und dieses gut angenommene Angebot seitdem kontinuierlich ausgebaut. Inzwischen sind in allen neun hessischen Landgerichtsbezirken Zeugenzimmer eingerichtet. Diese werden von durch die Justiz geförderten Opferhilfevereinen und in Limburg und Frankfurt am Main zudem durch landeseigene Fachberatungsstellen zur Zeugenbetreuung genutzt. Die Situation für (Opfer-)Zeuginnen und Zeugen, die zu einer Aussage vor Gericht vorgeladen werden, hat sich dadurch wesentlich verbessert.

Für viele Zeuginnen und Zeugen, die vor Gericht aussagen sollen, bedeutet die Zeugenrolle eine Ausnahmesituation, die von ihnen oft als Belastung wahrgenommen wird. Durch die bevorstehende Zeugenaussage wird ein oftmals verdrängtes und noch nicht verarbeitetes Ereignis mit all den dazugehörigen Gefühlen wiedererlebt. Um der schwierigen Situation der Zeuginnen und Zeugen vor Gericht gerecht zu werden, hat Hessen schon lange vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zur psychosozialen Prozessbegleitung betreute Zeugenzimmer eingerichtet. Zeuginnen und Zeugen können einfach und unbürokratisch Kontakt zu Fachberaterinnen und Fachberatern aufnehmen, die rund um das Thema „Zeugenaussage vor Gericht“ informieren, begleiten und beraten. Außerdem vermitteln die Zeugenbetreuerinnen und -betreuer gegebenenfalls Kontakte zu anderen Hilfseinrichtungen. Das freiwillige und kostenlose Angebot steht allen Opfern und Zeuginnen und Zeugen zur Verfügung und setzt keinen Antrag voraus.

„Nach einer Vorladung zur Zeugenaussage vor Gericht haben viele Menschen offene Fragen, wünschen sich Informationen über den Ablauf einer Hauptverhandlung und die Zeugenvernehmung im Allgemeinen sowie über ihre Rechte und Pflichten als Zeugin oder Zeuge oder sind ganz praktisch für eine Orientierung in den zuweilen als verwirrend empfundenen Gerichtsgebäuden dankbar. Häufig sind die geladenen Zeuginnen und Zeugen zugleich auch Opfer der verhandelten Straftaten, zu denen sie aussagen sollen, und die bevorstehende Konfrontation mit dem Täter kann verständlicherweise Ängste auslösen. Um in diesen Situationen zu helfen, wird eine Begleitung der Zeuginnen und Zeugen durch die Fachberaterinnen und -berater sowohl im Vorfeld als auch am Verhandlungstag selbst angeboten. Die Fachberaterinnen und -berater stärken die Zeuginnen und Zeugen in ihrer wichtigen und unverzichtbaren Zeugenrolle und nehmen ihnen Unsicherheiten und Befürchtungen. Sie unterstützen Menschen bei Vernehmungen, die die Justiz ihnen abverlangen muss, um die Unmittelbarkeit einer Hauptverhandlung und damit letztlich die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die betreuten Zeugenzimmer sind seit Beginn der Pionierarbeit beim Landgericht Limburg inzwischen zu einem hessischen Erfolgsmodell geworden. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil vor allem in Strafverfahren, aber auch in Zivil- und Familiensachen. Daher wird die Förderung der Zeugenbetreuung auch weiterhin einen hohen Stellenwert für die hessische Justiz einnehmen“, erläuterte Justizstaatssekretärin Tanja Eichner anlässlich ihres Besuches des betreuten Zeugenzimmers am Landgericht Limburg.

Zum Hintergrund:

Das Zeugenzimmer beim Landgericht Limburg wird auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Opferhilfe Limburg-Weilburg genutzt. Die Opferhilfe Limburg-Weilburg ist Teil des in Hessen flächendeckend ausgebauten Netzes an Opferberatungsstellen.

In Hessen umfasst die Fachberatung der Zeuginnen und Zeugen regelmäßig die drei Säulen der allgemeinen Information im Vorfeld, der Begleitung zum Gerichtstermin sowie der Beratung zum Umgang mit der ausgelösten emotionalen Belastung vor, während und nach der Hauptverhandlung. Das als tatsächlicher Raum für die Zeuginnen und Zeugen zur Verfügung stehend betreute Zeugenzimmer bietet zudem die Möglichkeit eines geschützten Rückzuges vor oder nach der Zeugenaussage und vermeidet Wartezeiten auf den Gerichtsgängen oder bietet die Betreuung von Kindern der Zeuginnen und Zeugen während ihrer Aussage an. Das in Hessen installierte Angebot der Zeugenbetreuung wird sehr häufig nachgefragt. Im Jahr 2021 wurde es – trotz pandemiebedingter Einschränkungen – von insgesamt 1.954 Personen in Anspruch genommen. Davon lag bei 886 Personen eine Gewaltstraftat, bei 300 Personen eine Sexualstraftat, bei 205 Personen ein Vermögensdelikt und bei 168 Personen eine Straftat gegen die persönliche Freiheit zugrunde, wobei Personen teils von mehreren Delikten betroffen waren. Bei 428 Personen wurde das Delikt nicht erfasst. 

Quelle: Hessisches Ministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 26. April 2023

Cookie Consent mit Real Cookie Banner