Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute (25. April 2023) unter Leitung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Dr. Puderbach-Dehne eine 30-jährige deutsche und türkische Staatsangehörige, zuletzt wohnhaft in Rheine, wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit der Verletzung von Fürsorge- und Erziehungspflichten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs hob der Senat auf. In dem Bewährungsbeschluss wurde die Angeklagte unter anderem angewiesen, während der dreijährigen Bewährungszeit Auslandsreisen in die EU nicht ohne Zustimmung des Senats durchzuführen und weiterhin an einem Aussteigerprogramm teilzunehmen (Aktenzeichen III-5 StS 6/22).
In den Schlussvorträgen hatten die Generalstaatsanwaltschaft für die Angeklagte eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und die Verteidigung eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten, beide jeweils unter Strafaussetzung zur Bewährung, gefordert.
Nach den Feststellungen des Senats reiste die Angeklagte im Mai 2014 gemeinsam mit ihrem zu diesem Zeitpunkt einjährigen Sohn von der Türkei aus nach Syrien und bezog dort gemeinsam mit ihrem Ehemann, der zu diesem Zeitpunkt bereits als Kämpfer für den „IS“ in Syrien tätig war, eine Wohnung, verrichtete den Haushalt und kümmerte sich um den gemeinsamen Sohn. Zur Finanzierung des Lebensunterhalts erhielt die Familie von der Vereinigung monatlich einen Geldbetrag in Höhe von 50 US-Dollar für jeden Erwachsenen und von 25 US-Dollar je Kind sowie Lebensmittelpakete. Im September 2014 half die Angeklagte bei der Einschleusung von zwei weiteren Mitgliedern für den „IS“ und versuchte, eine in Deutschland lebende Bekannte durch Anpreisungen der Lebensbedingungen im „IS“-Gebiet zur Ausreise in das Herrschaftsgebiet zu bewegen. Überdies bemühte sie sich, Geldmittel für die Frau eines anderen „IS“-Mitglieds nach Syrien zu transferieren. Im Herbst 2015 brachte sie in Syrien einen zweiten Sohn zur Welt. Bei alledem nahm sie in Kauf, dass ihre Kinder wiederholt Bombenangriffen ausgesetzt waren und für diese eine Gefährdung der körperlichen und psychischen Entwicklung bestand. 2018 wurde die Angeklagte aufgegriffen und in von kurdischen Kräften kontrollierte Lager verbracht, wo sie bis zu ihrer Rückführung am 5./6. Oktober 2022 verblieb.
Soweit es den Anklagevorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung „ISIG/IS“ bis Ende 2018 betrifft, hat der Senat die Strafverfolgung auf den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung „ISIG/IS“ bis Ende 2016 und, soweit es den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung „ISIG/IS“ in Tateinheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (bezüglich der beiden Söhne) betrifft, auf den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung „ISIG/IS“ in Tateinheit mit einem Fall der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht betreffend den ersten Sohn gemäß § 154a StPO beschränkt.
Der Senat hat bei der Strafzumessung zugunsten der nicht vorbestraften Angeklagten maßgeblich berücksichtigt, dass sie sich in der Hauptverhandlung von Beginn an und bereits zuvor im Rahmen eines Haftprüfungstermins umfassend geständig eingelassen hat. Dieses Geständnis war von Reue getragen und hat zu einer erheblichen Verkürzung des Strafverfahrens geführt. Strafmildernd wirkte sich zudem aus, dass die Angeklagte sich vom „IS“ distanziert hat, sie als Tatfolge die mit erheblichen Einschränkungen und Gefahren verbundenen langandauernden Aufenthalte in den kurdischen Lagern hinzunehmen hatte und bereits fünf Monate in Untersuchungshaft unter besonders belastenden Haftbedingungen verbracht hat. Zu Lasten der Angeklagten fiel dagegen ins Gewicht, dass die Vereinigung „IS“, an der sich die Angeklagte beteiligt hatte, eine der radikalsten und blutrünstigsten Vereinigungen sowie gleichzeitig die zur damaligen Zeit erfolgreichste islamistische Terrororganisation darstellte. Ebenfalls hat der Senat zu ihren Lasten die lange Dauer der mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen von mehr als zweieinhalb Jahren berücksichtigt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Angeklagte und die Generalstaatsanwaltschaft können Revision einlegen, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.
Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf, Pressemitteilung vom 25. April 2023