Die Stadt Dortmund bleibt verpflichtet, Räumlichkeiten der Westfalenhalle für die Durchführung der am 27. März 2023 geplanten Veranstaltung „Vortrag Daniele Ganser – Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?“ zur Verfügung zu stellen. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit heute bekannt gegebenem Beschluss vom 22. März 2023 entschieden.
Die Stadt Dortmund hatte die Überlassung der Halle für die Veranstaltung im Wesentlichen mit der Begründung verweigert, frühere Äußerungen des Vortragenden seien als antisemitisch einzustufen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab dem Eilantrag der Veranstalterin mit Beschluss vom 8. März 2023 statt. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Stadt, die vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg hatte.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 15. Senat im Wesentlichen ausgeführt:
Bei der Westfalenhalle handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung. Stellt eine Kommune diese im Rahmen der jeweiligen Widmung für die Durchführung von bestimmten Veranstaltungen zur Verfügung, entsteht dadurch ein Gleichbehandlungsanspruch, der die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang sie Zu-gang zu ihrer Einrichtung gewährt, begrenzt. Ihre Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
Die streitige Veranstaltung bewegt sich im Rahmen des Widmungszwecks. Die Westfalenhalle ist von der Stadt für Veranstaltungen aller Art gewidmet worden. Das ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag der von der Stadt „beherrschten“ Westfalenhallen Dortmund GmbH. In Umsetzung des weiten Widmungszwecks hatte die Stadt die Westfalenhalle auch bereits am 14. November 2021 für eine Veranstaltung mit dem Vortragenden zu einem politischen Thema zur Verfügung gestellt. Der
Zweck der Widmung ist entgegen der Auffassung der Stadt nicht durch den Ratsbeschluss vom 21. Februar 2019 eingeschränkt worden, mit dem sich der Rat der „Grundsatzerklärung des Netzwerks zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund vom 18.01.2019“ angeschlossen hatte. In dieser Erklärung heißt es, „dass Organisationen, Vereinen und Personen, die etwa den Holocaust leugnen oder relativieren, die Existenz Israels als jüdischen Staat delegitimieren, zu antijüdischen oder antiisraelischen Boykotten aufrufen, diese unterstützen oder entsprechende Propaganda verbreiten (z.B. die Kampagne ,Boycott – Divestment – Sanctions [BDS]‘) o-der die anderweitig antisemitisch agieren, keine Räumlichkeiten oder Flächen zur Verfügung gestellt werden“.
Die damit verbundene Nutzungsversagung verstößt in dieser Allgemeinheit, soweit sie über einen (deklaratorischen) Ausschluss strafbaren Verhaltens hinausgeht, ge-gen die Meinungsfreiheit, weil sie an Meinungsäußerungen mit einem bestimmten In-halt anknüpft. In die Meinungsfreiheit darf grundsätzlich nur durch ein allgemeines Gesetz eingegriffen werden. Darunter sind Gesetze zu verstehen, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern dem Schutz eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen. Bei dem Ratsbeschluss handelt es sich schon nicht um ein Gesetz. Unabhängig davon umfasst er auch solche Meinungskundgaben, die nicht strafbar sind.
Es bestehen auch sonst keine sachlichen Gründe für die Versagung der Hallennutzung, etwa wegen zu erwartender Rechtsverstöße bei der konkreten Veranstaltung. Dass eine Gefahr strafbarer Äußerungen des Vortragenden besteht, ist dem Vorbringen der Stadt nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 15 B 244/23
Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 23. März 2023