Der Auslöser war ebenso bedeutungslos wie skurril: Mitte Juli letzten Jahres – das Würzburger „Kiliani-Volksfest“ war im vollen Gange – feierten viele Menschen ausgelassen im Festzelt. Gegen 22.30 Uhr tanzten alle Menschen schon auf den Bierbänken. So auch eine 20-Jährige Oberbayerin, die mit 3 Freundinnen das Fest besuchte und sich aus Platzgründen zu einer ihr unbekannten Gruppe auf die Bierbank dazustellte. Dies schien der Angeklagten nur bedingt zu gefallen: „Wenn du kein Bier in der Hand hast, musst du runter von der Bierbank“, forderte diese von der Geschädigten. Diese nahm die Aufforderung der stark alkoholisierten Angeklagten – ein Atemalkoholtest ergab später 2 Promille – zunächst nicht ernst. Die Angeklagte wiederholte jedoch ihre „Forderung“ und ließ den Worten schließlich Taten folgen. Mit beiden Händen stoß sie die junge Frau von der Bierbank, die sich gerade noch abfangen konnte. Anschließend ging sie mit einem Maßkrug in der Hand auf diese zu und versetzte ihr mit diesem einen festen Schlag gegen den rechten Unterkiefer.
Durch den Schlag erlitt die Geschädigte eine stark blutende Risswunde in der Unterlippe und Abplatzungen an insgesamt drei Zähnen.
Es ist alles ganz anders gewesen
So sei das alles nicht gewesen, ließ die Angeklagte über ihren Verteidiger erklären. Man sei gemeinsam von der Bank gestürzt und in der sich daran anschließenden Rangelei habe Sie lediglich den Maßkrug schützend vor ihr Gesicht gehalten um sich vor den Angriffen der Geschädigten zu schützen. Diese sei dann in diesem Moment in den Maßkrug gelaufen. Dass sich die junge Frau dadurch so stark verletzte, tue ihr Leid.
Diese Aussage wurde von ihrem Cousin so bestätigt, der allerdings aufgrund der Tatsache, dass er ein paar Bänke weiter stand, nicht die beste Sicht gehabt haben dürfte.
Angebliche Rangelei
Die anderen drei Zeuginnen – die Freundinnen mit denen die Geschädigte auf dem Kiliani feiern wollte – haben jedoch von der angeblichen Rangelei zwischen den beiden Damen nichts mitbekommen.
„Natürlich ist Sie perplex und aufgebracht gewesen als sie von der Bierbank gestoßen wurde, eine Rangelei gab es aber definitiv nicht“, so die Zeuginnen einhellig.
So forderte der Vertreter der Staatsanwaltschaft auch 8 Monate Freiheitsstrafe ausgesetzt zu Bewährung.
Verteidiger: Freispruch wegen Notwehr
Für den Verteidiger der jungen Frau war die Sache jedoch klar. Seine Mandantin wollte sich leidglich schützen und im Rahmen dessen wurde die Geschädigte leider im Gesicht vom Maßkrug getroffen. Er beantragte daher einen Freispruch: die Angeklagte habe aus Notwehr gehandelt.
In Ihrem letzten Wort entschuldigte sich die Angeklagte nochmals bei der Geschädigten. Es tue ihr Leid, dass sie solch schwere Verletzungen davon getragen habe.
Diese Entschuldigung rechnete ihr das Gericht im Rahmen der Strafzumessung auch deutlich positiv an. Es verurteilte die strafrechtlich völlig unvorbelastete 22-Jährige zu 120 Tagessätzen zu je 30 Euro.
Zum einen wurde ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung angenommen und eine deutlich verminderte Schuldfähigkeit der zum Tatzeitpunkt stark alkoholisierten Angeklagten ausgegangen (Siehe Hintergrund).
„Dass Sie den Maßkrug hochreisen, um ihr Gesicht zu schützen, ohne dass es vorher Schläge in ihr Gesicht gab, passt einfach nicht“, so die Richterin abschließend in ihrer Begründung.
Rechtlicher Hintergrund: § 47 StGB – Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen
Der Strafrahmen der gefährlichen Körperverletzung beträgt gemäß § 224 StGB Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren, in einem minder schweren Fall § Monate bis 5 Jahre.
Kommt jetzt, wie hier aufgrund einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB in Betracht vermindert sich der Strafrahmen weiter.
Im Falle des minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung beträgt dieser aber dennoch 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate.
Wie kann es dann sein, dass in obigem fall eine Geldstrafe verhängt wurde?
Hier kommt jetzt § 47 StGB ins Spiel. Nach § 47 StGB darf eine kurze Freiheitsstrafe (unter 6 Monaten) anstelle einer Geldstrafe nur dann verhängt werden, „wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen“.
So kommt es das, trotz eines Strafrahmens, der nur Freiheitsstrafe vorgibt, dennoch eine Geldstrafe verhängt werden kann. So auch in obigem Fall.
Nähere Ausführungen zu § 47 StGB hat zum Beispiel das OLG Hamm in seinem Beschl. v. 27.04.2021 – 5 RVs 28/21 – gemacht:
„Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen (Senatsbeschluss vom 08.01.2009 – 5 Ss 528/08 -, Rn. 19 – 20, juris; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 47 StGB Rn. 1). Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat danach regelmäßig nur dann Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. hierzu Fischer, a.a.O., § 47 StGB Rn. 7; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29 Aufl. 2018, § 47 StGB Rn. 6, jeweils m.w.N.). Zwar können nähere Ausführungen zur Begründung einer kurzen Freiheitsstrafe – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat – ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass die Voraussetzungen des § 47 StGB auf der Hand liegen, insbesondere der abgeurteilten Tat zahlreiche oder einschlägige Vorstrafen, wiederholte Bewährungsbrüchigkeit oder mehrfache Strafhaftverbüßungen vorangingen oder eine auffällig hohe Rückfallgeschwindigkeit vorliegt (Maier, in: MünchKomm, StGB, 4. Aufl. 2020, § 47 StGB Rn. 60). Stellt das Gericht hingegen dem Angeklagten eine günstige Legalprognose und setzt – wie vorliegend – die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, versteht sich die Unerlässlichkeit der Verhängung nicht von selbst (Maier, in: MünchKomm, a.a.O., § 47 StGB Rn. 59).“