In jüngster Zeit ist angesichts des veröffentlichten Gesetzentwurfs intensiv über die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung diskutiert worden. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hält an ihrer seit mehreren Jahren erhobenen Forderung fest: An der Dokumentation führt kein Weg vorbei. Der vom BMJ veröffentlichte Entwurf ist zu unterstützen.

Die Forderung nach einer audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung im Strafprozess ist nicht neu. Bereits im Jahr 2021 hatte die BRAK in einem Positionspapier zur Digitalisierung der Justiz betont, dass die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung zwingend kurzfristig umgesetzt werden muss. Auch in den folgenden Jahren wurde die BRAK nicht müde, die dringende Notwendigkeit einer digitalen Dokumentation zu betonen. So haben der Ausschuss Strafprozessrecht (StPO) und der Strafrechtsausschuss (Strauda) der BRAK zuletzt im Februar ihre Stellungnahmen zum Referentenentwurf des BMJ zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG) veröffentlicht.

Die Ausschüsse begrüßten in ihren Stellungnahmen den Entwurf ausdrücklich und forderten, so schnell wie möglich die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Umstellung des Protokollierungssystems auf einen modernen technischen Standard zu schaffen.

Nach Auffassung der BRAK besteht dringender rechtspolitischer Reformbedarf. Die durch digitale Aufzeichnungstechniken entstandenen Möglichkeiten zur Anfertigung einer Bild-Ton-Aufzeichnung müssen für das Strafverfahren nutzbar gemacht werden. Gegenstand des Strafverfahrens ist die Frage, ob ein staatlicher Grundrechtseingriff von erheblicher Tragweite (ggf. eine Gefängnisstrafe) angeordnet wird. Schon deshalb müssen die äußeren Rahmenbedingungen des Verfahrens nach Möglichkeit so gestaltet werden, dass ein gerichtliches Urteil auf zutreffender Tatsachengrundlage ergeht. Dazu gehört bei dem heute erreichten Stand der Aufzeichnungstechnik, dass auch der Verlauf einer Hauptverhandlung in Strafsachen so dokumentiert wird, dass innerhalb des Verfahrens jederzeit sowohl für die Verfahrensbeteiligten der jeweiligen Hauptverhandlung als auch für die weiteren Verfahrensbeteiligten in ggf. späteren Rechtsmittelinstanzen nachvollzogen werden kann, welchen Inhalt die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung hatte. Dies wird sich auf den Prozess der Entscheidungsfindung positiv auswirken und Rechtssicherheit schaffen. Die Mitglieder des Gerichts sind nicht mehr gezwungen, selbst Mitschriften anzufertigen, wenn ihnen eine authentische und richtige Dokumentation der Hauptverhandlung zur Verfügung steht. Zugleich ist sichergestellt, dass der Inhalt mündlicher Äußerungen in der Hauptverhandlung (insb. von Sachverständigen und von Zeugenaussagen) jederzeit zuverlässig nachvollzogen werden kann. Auch während der Beratung haben die Mitglieder des Gerichts damit jederzeit die Möglichkeit, sich Gewissheit über den Inhalt der Beweisaufnahme zu verschaffen. Auseinandersetzungen über den Inhalt von mündlichen Erklärungen, die in der Praxis immer wieder auftreten, können auf diese Weise vermieden werden.

Rechtsanwältin Ulrike Paul, Vizepräsidentin der BRAK, hält eine Digitalisierung auch des Strafprozesses für zwingend geboten: „Wir brauchen dringend ein modernes audiovisuelles Aufzeichnungssystem. Der Strafprozess muss weiterentwickelt werden und darf nicht auf der Stelle treten. Wir haben die Möglichkeit, in vielerlei Hinsicht mehr Rechtssicherheit zu schaffen, vor allem im Interesse der Beschuldigten bzw. Angeklagten, denen in einem Verfahren ganz erhebliche Grundrechtseingriffe drohen. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb wir die technischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, nicht im Interesse der Rechtssicherheit nutzen sollten. Wir haben lange auf diese Reform und Modernisierung gewartet. Jetzt muss sie auch umgesetzt werden. Alles andere bedeutet aus meiner Sicht einen systemischen Rückschritt!“

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Pressemitteilung vom 13. März 2023

Cookie Consent mit Real Cookie Banner