Im Bezirk des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken findet dieses Jahr wieder die Wahl der Schöffinnen und Schöffen statt. Am 30. November 2023 wird die Auslosung der Schöffinnen und Schöffen durchgeführt. Die Schöffin Gabriele Wittmann (69) aus Offenbach an der Queich berichtet über ihre Erfahrungen:
Frau Wittmann, Sie sind noch bis zum 31. Dezember 2023 als Ersatzschöffin für das Landgericht Landau in der Pfalz gewählt. Wie sind Sie Schöffin geworden? Haben Sie sich beworben oder hat die Verbandsgemeindeverwaltung Sie ungefragt ausgewählt?
In der Verbandsgemeinde, in der ich wohne, wurden Schöffen gesucht. Da ich Mitglied in einer Partei war, habe ich mich gemeldet und wurde vom Gemeinderat mehrheitlich vorgeschlagen.
Was bedeutet es, dass Sie zur Ersatzschöffin gewählt worden sind? Ist es wahrscheinlich, dass man als Ersatzschöffin oder Ersatzschöffe einen Einsatz hat? Wie oft wurden Sie zu einem Prozess gerufen?
Von Anfang an war es nicht klar, ob ich als Schöffin oder als Ersatz zur Verfügung stehen sollte. Erst nach der Wahl habe ich davon erfahren. Hilfsschöffe kommen nur zur Aktion, wenn eine Schöffin oder ein Schöffe durch Krankheit oder aus anderen Gründen ersetzt werden muss. Ich durfte in den vier Jahren meiner Tätigkeit zweimal einem Prozess beiwohnen. Einmal wurde ich gebeten einen Prozess zu begleiten, weil die Richter befürchteten, dass durch Corona eine Schöffin oder ein Schöffe ausfallen könnte. Deshalb war ich an allen Prozesstagen zusätzlich anwesend. Einen Ausfall der anderen Schöffen hat es dann aber nicht gegeben.
Sie hatten zwei Einsätze als Schöffin einer Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz. Um was ging es bei diesen Prozessen?
Der erste Prozess war sehr langwierig, aber auch interessant. Ein Ehemann hatte versucht, seine getrenntlebende Ehefrau mit Messerstichen zu töten. Er hat dabei noch einen zur Hilfe eilenden Mann mit dem Messer schwer verletzt.
Der zweite Prozess war eintägig. Es ging um eine Anklage wegen Drogenbesitzes und den Besitz von Waffen.
Im Rahmen ihrer Schöffentätigkeit hatten Sie als ehrenamtliche Richterin über einen Angeklagten zu urteilen, dem ein Tötungsdelikt zur Last gelegt wurde. Neigen Sie in Fragen der Strafzumessung eher zu einer harten Linie oder sind Sie nachsichtig?
Durch die Gespräche mit den Richterinnen und Richtern erhalten die Schöffen einen sehr guten Einblick in die Rechtsprechung. Auch die langwierigen Verhöre von Angeklagten und Zeugenaussagen helfen den Schöffen in den Entscheidungen. Ich denke, man lernt sehr schnell Strafbemessung richtig einzuschätzen. Ich würde mich auf keinen Fall als nachsichtig einschätzen.
Hat Sie das hautnahe Erleben des Prozessgeschehens vor und hinter den Kulissen persönlich bewegt und vielleicht sogar bereichert?
Das Erleben ging auf keinen Fall spurlos an mir vorüber. Es ist doch ein gewaltiger Unterschied zwischen Film und Wirklichkeit. Ich war nach jeder Sitzung sehr aufgewühlt und verstand, wieso die Prozesse so viel Genauigkeit verlangen.
Sie waren vor Ihrer Pensionierung Leiterin einer Grundschule. Hat dies Einfluss auf ihr Rechtsempfinden und hatte dies auch Einfluss auf Ihre Tätigkeit als ehrenamtliche Richterin?
Ich habe mich in der Schule schon immer für Entscheidungsprozesse eingesetzt. Wir hatten ein Schülerparlament und in jeder Klasse Klassenräte. Kinder brauchen diese Erfahrung unbedingt. Natürlich hat mich die Situation im Gerichtssaal sehr beeindruckt. Für Schüler wäre diese Erfahrung ein Zugewinn.
Was ist Ihre persönliche Einschätzung nach den gewonnenen praktischen Erfahrungen: Sind Schöffinnen und Schöffen in der Rechtsprechung neben Berufsrichterinnen und Berufsrichtern wichtig für einen demokratischen Rechtsstaat?
Ich denke, in allen Gremien sollten Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit zur Teilhabe bekommen. Einerseits ist es wichtig bei der Urteilsfindung, anderseits wird auch das Verständnis für unsere Rechtsprechung in die Gesellschaft getragen.
Weiterführende Informationen:
Die Amts- und Landgerichte des Bezirks werden im laufenden Jahr die Schöffinnen und Schöffen für das Geschäftsjahr 2024 neu wählen. Zunächst wird von den Gerichten bestimmt, wie viele Schöffinnen und Schöffen zu wählen und wie diese zu verteilen sind. Steht dies fest, erarbeiten die Kreis- und Stadträte zusammen mit den Verbandsgemeindeverwaltungen für ihren Bezirk je eine Vorschlagsliste für Schöffinnen und Schöffen, die dann in der zuständigen Kreis- oder Stadtverwaltung bis zum 31. Juli öffentlich ausliegen wird. Am 30. November werden dann alle Schöffinnen und Schöffen des Bezirks gewählt. Das sind die Haupt- und Ersatzschöffinnen und ‑schöffen und die Jugendhaupt‑ und Jugendersatzschöffinnen und ‑schöffen.
Schöffinnen und Schöffen wirken neben Berufsrichterinnen und Berufsrichtern in allen Gerichtsbarkeiten bei der Rechtsprechung als ehrenamtliche Richterinnen und Richter gleichberechtigt mit. Insgesamt sind in Rheinland-Pfalz derzeit 6.178 ehrenamtliche Richterinnen und Richter berufen. Durch Ihre Mitwirkung wird eine unmittelbare Beteiligung der Bevölkerung an der Rechtsprechung gewährleistet und das Vertrauen in die Gerechtigkeit der Entscheidungen unserer Gerichte gestärkt. Zudem können ehrenamtliche Richterinnen und Richter ihre besonderen Kenntnisse und Erfahrungen in die Entscheidungsfindung mit einbringen.
Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter nehmen bei den Amtsgerichten und Landgerichten in der Regel nicht mehr als zwölfmal im Jahr an einem Sitzungstag teil. Bei umfangreichen Verfahren kann in Einzelfällen eine Schöffin oder ein Schöffe aber auch häufiger zum Einsatz kommen. Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen sehen eine Altersgrenze für Personen vor, die das 70. Lebensjahr bis zum Beginn der Amtsperiode vollendet haben. Derzeit wird im Landtag eine Abschaffung dieser Regelung beraten.
Quelle: OLG Zweibrücken, Pressemitteilung vom 10. März 2023