Die Ermittlungsbehörden stießen zuletzt auf Tausende illegale Tätigkeiten im Bereich der organisierten Schwerstkriminalität, insbesondere Drogenhandel und Waffengeschäfte
Im vergangenen Jahr leitete Europol Ermittlungsverfahren gegen den Kommunikationsdienstleister Encrochat ein. Die Ermittlungsbehörden stießen auf Tausende illegale Tätigkeiten im Bereich der organisierten Schwerstkriminalität, insbesondere Drogenhandel und Waffengeschäfte. Es wurden bereits zahlreiche Verfahren eingeleitet. Mit neun Millionen Euro für 52 zusätzliche Stellen unterstützt der Senat Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte bei der Aufklärung und Strafverfolgung. Der Beschluss wird nun der Bürgerschaft zugeleitet.
In der Justiz will der Senat temporär 28 zusätzliche Planstellen für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Servicepersonal schaffen. Zwei bestehende Stellen sollen aufgewertet werden. Am Amtsgericht soll dabei der ermittlungsrichterliche Bereich gestärkt werden, in dem über Untersuchungshaft und Telekommunikationsüberwachung entschieden wird. Am Landgericht sollen zunächst drei zusätzliche Strafkammern aufgebaut werden, um die große Zahl der Verfahren zu bewältigen. In der Staatsanwaltschaft sollen eine weitere Abteilung für Betäubungsmitteldelikte und eine Vollstreckungsabteilung für die Vermögensabschöpfung geschaffen werden.
Bei der Polizei sind dem Senatsbeschluss zufolge temporär 34 zusätzliche Kräfte eingeplant, davon 24 neu eingestellte Mitarbeiter und zehn Dienstzeitverlängerer. Unter anderem sollen künftig spezialisierte Analytiker, Data Scientists, IT-Forensiker und ein Financial Intelligence Officer für Finanzkriminalität die Ermittlungen unterstützen. Zudem soll – wie in der Justiz auch – in die Ausstattung der Arbeitsplätze und den Ausbau der Infrastruktur investiert werden, bei der Polizei zusätzlich auch in Laborplätze, eine Station zum Entsperren von Mobiltelefonen und Hochleistungs-Auswerterechner. Damit wird beim Landeskriminalamt insbesondere die Soko „HHammer“ gestärkt, in der die Ermittlungen zur entschlüsselten Kommunikation gebündelt werden.
Innensenator Andy Grote sagt: „Die Zerschlagung dieses kriminellen Kommunikationsnetzes ist ein spektakulärer polizeilicher Erfolg. Durch die Entschlüsselung mehrerer tausend Chatverläufe zwischen Schwerkriminellen allein für Hamburg erleben wir eine kriminalistische und justizielle Ausnahmesituation. Noch nie konnten Ermittlungsbehörden in einem vergleichbaren Umfang Kommunikationsdaten aus der internationalen organisierten Kriminalität auswerten. Diese einmalige Chance, dem organisierten Verbrechen einen wirksamen Schlag zu versetzen, wollen wir entschlossen nutzen. Wir investieren deshalb in die Schlagkraft der erfolgreichen Soko ‚HHammer‘, in Manpower, Spezialistenwissen und IT-Technik. Der Datenbestand löst auf Jahre einen immensen Auswerte- und Ermittlungsaufwand aus, dem wir mit der Verstärkung des LKA um 34 zusätzliche Stellen Rechnung tragen.“
Justizsenatorin Anna Gallina sagt: „Wir sagen dem internationalen Drogenhandel und Waffenschiebereien in Hamburg den Kampf an. Durch die Entschlüsselung von Encrochat wurden Strukturen der organisierten Schwerstkriminalität offengelegt, die es nun auch nachhaltig zu zerschlagen gilt. Wir haben bereits an die 300 laufenden Ermittlungsverfahren, von denen der erste große Schwung die Gerichte bereits erreicht. Weitere werden folgen. Diese komplexen Verfahren verursachen erheblichen Aufwand. Deshalb stärken wir Polizei über Staatsanwaltschaft und Gerichte in diesem Bereich gezielt und investieren zusätzlich neun Millionen Euro.
Für die Justiz konnten wir damit die umfangreichste Stellenverstärkung auf einen Schlag seit Langem erreichen. Wir verstärken auch die Suche nach illegal erlangtem Vermögen der Täter und stellen diese Vermögenswerte sicher. So entziehen wir das schmutzige Geld den Drogen- und Waffengeschäften und setzen das deutliche Signal: Verbrechen lohnt sich nicht.“
Finanzsenator Dr. Andreas Dressel sagt: „Mit dieser temporären und zielgerichteten Verstärkung von Polizei und Justiz haben wir nicht nur die Chance, der Organisierten Kriminalität einen schweren Schlag zu versetzen, sondern auch kriminell erlangtes Vermögen in erheblichem Umfang zugunsten der Staatskasse abzuschöpfen. Bei den bisherigen Verfahren im Zusammenhang mit Encrochat konnten bereits Arrestbefehle in Höhe von über 40 Millionen Euro erwirkt werden. Dazu kommt die Beschlagnahmung von Bargeld in Millionenhöhe. Um die laufenden und alle noch zu erwartenden Ermittlungs- und Strafverfahren einschließlich der Vermögensabschöpfung und Vermögensfahndung zielführend und erfolgreich bearbeiten zu können, ist eine temporäre, zweckgebundene Verstärkung von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten unerlässlich. Wir unterstreichen damit, dass wir Polizei und Justiz auch in finanzpolitisch schwierigen Zeiten gezielt und befristet verstärken können, wenn eine besonders herausfordernde Lage es erfordert – eine solche Lage ist mit den Encrochat-Fällen gegeben.“
Zwischen März und Juli 2020 hatte Europol umfangreiche Ermittlungsverfahren gegen den Kommunikationsdienstleistungsanbieter Encrochat eingeleitet. Encrochat bot zum damaligen Zeitpunkt auch eine App sowie Mobiltelefone an, die verschlüsselt betrieben wurden. Französischen Ermittlungsbehörden gelang es, in das Netzwerk einzudringen. Dies trug letztlich wesentlich dazu bei, um die über Encrochat abgewickelten Straftaten offenzulegen.
Nach der Entschlüsselung wurden umfangreiche Datensätze an die Hamburger Strafverfolgungsbehörden abgegeben. Die personalintensiven Ermittlungen führten unter anderem zur Vollstreckung von mehr als 100 Haftbefehlen, der Durchführung von rund 220 Durchsuchungen und der Beschlagnahme von Bargeld in Millionenhöhe. Aktuell laufen bei der Staatsanwaltschaft 160 Verfahren mit Bezug zu Encrochat, davon wurde in rund 50 Verfahren bereits Anklage erhoben. Bei der Polizei wurden bislang rund 300 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Neben Encrochat gibt es weitere Ermittlungsverfahren mit ähnlichem Sachverhalt, bei denen es um den Kommunikationsdienst Sky ECC geht.
Quelle: Behörde für Inneres und Sport Hamburg, Pressemitteilung vom 1. Juni 2021