Ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande, das lernt ein Jurist am Anfang seines Studiums. Was bei diesem vermeintlich einfachen Vorgang schiefgehen kann, illustriert eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen:
Das Land Niedersachsen hatte einen Anbieter für Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen Braunschweig-Wolfsburg gesucht und diesen Bedarf ausgeschrieben. Ein Unternehmen gab ein Angebot ab und erhielt am 17. März 2015 den Zuschlag. Eigentlich wäre damit der Vertrag über die Durchführung der Sicherheitskontrollen verbindlich für einen Zeitraum von vier Jahren zustande gekommen. Das Land hatte dem Zuschlagsschreiben aber einen Vertragsentwurf beigefügt, der vorher nicht Gegenstand des Vergabeverfahrens war. Ausdrücklich hatte es darum gebeten, den Vertrag zu unterschreiben. Weil es dann zu Unstimmigkeiten über einen Vertragszusatz kam, den das Unternehmen nachträglich gewünscht hatte, lehnte dieses die erbetene Unterschrift letztlich ab. Das Land beauftragte daraufhin ein anderes Unternehmen mit der Durchführung der Sicherheitskontrollen, das dafür einen höheren Preis forderte. Diese Mehrkosten verlangte es von dem ursprünglich „beauftragten“ Unternehmen ersetzt.
Das Landgericht Hannover hatte dieser Klage in erster Instanz stattgegeben und das Unternehmen verurteilt, Mehrkosten in Höhe von fast 500.000 € zu ersetzen. Auf die Berufung des Unternehmens hin wies der für Streitigkeiten aus dem Vergaberecht zuständige 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle die Klage demgegenüber mit Urteil vom 29. Dezember 2022 ab (Az.: 13 U 3/22).
Grundsätzlich kommt ein Vertrag nur dann zustande, wenn der Geschäftspartner ein Vertragsangebot vorbehaltlos annimmt. Nimmt er es zu geänderten Bedingungen an, muss sein Geschäftspartner diese Änderung akzeptieren. Im vorliegenden Fall wich der Vertragsentwurf, den das Land erstmals dem Zuschlagsschreiben beigefügt hatte, von den Ausschreibungsunterlagen und damit von dem Angebot des beklagten Unternehmens ab. Dieser Vertragsentwurf enthielt verschiedene Regelungen, die sich in dem Angebot noch nicht in gleicher Weise wiederfanden. Er sah beispielsweise abweichende Rufbereitschaftszeiten vor, wonach eine Einsatzbereitschaft binnen 30 Minuten sicherzustellen war. Diese Änderung war nicht völlig unerheblich, denn sie hätte ausgeschlossen, dass entfernter wohnende Mitarbeiter der Beklagten sich während ihrer Rufbereitschaft zu Hause aufhielten. Deshalb war durch den Zuschlag kein Vertrag zustande gekommen.
Da das Unternehmen nicht verpflichtet war, die Sicherheitskontrollen durchzuführen, muss es dem Land auch nicht die Mehrkosten ersetzen, die schließlich für die Kontrollen durch ein anderes Unternehmen entstanden sind.
Quelle: OLG Celle, Pressemitteilung vom 2. März 2023