Hausdurchsuchungen, Vernehmungen, Sicherstellungen von Smartphones, Rechnern, Laptops und Datenträgern: Das Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet (ZKI) bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg koordinierte gestern (25. Januar) gemeinsam mit dem Bayerischen Landeskriminalamt unter dem Aktionsnamen Operation Weckruf 2022 den zweiten breit angelegten Aktionstag gegen Kinderpornografie. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich warnt: „Das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Mit der Operation Weckruf 2022 senden wir erneut ein deutliches Signal: Täter können sich nicht hinter der vermeintlichen Anonymität des Internets verstecken. Wer solche abscheulichen Straftaten begeht, kann sich in Bayern niemals sicher fühlen.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: „Wir verstärken den Kampf gegen Kinderpornografie und Kindesmissbrauch. Polizei und Justiz arbeiten Hand in Hand, um effektiv gegen diese abscheulichen Taten vorzugehen. Unsere hochengagierten Fahnder setzen alles daran, die skrupellosen Täter hinter Gitter zu bringen.“
In diesem Deliktsbereich steigen die Zahlen seit Jahren an. In der Polizeilichen Kriminalstatistik hat sich die Zahl der Straftaten in Zusammenhang mit Kinderpornografie 2021 laut ersten Auswertungen im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. „Der Verbreitungsgrad an Kinderpornografie ist erschreckend“, erklärte Herrmann. „Durch unsere deutlich verstärkten Ermittlungen kommen immer mehr Fälle ans Licht.“ Laut Eisenreich zeigt sich das auch bei der Justiz: „Allein im Jahr 2021 wurden beim ZKI 3.236 Verfahren erfasst.“
Am gestrigen Aktionstag wurden bayernweit 50 Objekte in allen sieben Regierungsbezirken durchsucht. Im Einsatz waren insgesamt 238 Polizeibeamte aller bayerischen Polizeipräsidien. Der Verdacht: Verbreitung und Besitz kinderpornografischer Inhalte. Die Aktion richtete sich gegen 55 Beschuldigte im Alter zwischen 18 und 73 Jahren. Eine ganze Reihe von Beschuldigten, gegen die sich der gestrige Aktionstag richtete, ist verdächtig, sich über einen Filesharing-Anbieter im Clearnet Videos verschafft zu haben, die schwersten und extrem gewalttätigen Missbrauch von Säuglingen zeigen. Der Gesetzgeber hat im vergangenen Jahr den Strafrahmen auch auf bayerische Forderung hin deutlich angehoben.
Justizminister Eisenreich: „Die Aktion zeigt, wie schlagkräftig unsere Spezialeinheit ist. Dafür möchte ich besonders Oberstaatsanwalt Goger, dem Leiter des ZKI, seinem Team, dem Bayerischen Landeskriminalamt und allen eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten herzlich danken. Mit dem ZKI können wir den Verfolgungsdruck auf die Täter weiter erhöhen.“ Laut Innenminister Herrmann ergänzen solche Großaktionen die tagtägliche Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen Kinderpornografie. „Unser Ziel ist, Angebot und Nachfrage nachhaltig zu zerschlagen. Dabei haben wir vor allem auch diejenigen im Visier, die mit dem unsäglichen Leid lukrative Geschäfte machen.“
Bayern setzt sich neben der Optimierung der Strafverfolgungsstrukturen auch für rechtspolitische Verbesserungen in Berlin und Brüssel ein. Minister Eisenreich: „Der sexuelle Missbrauch von Kindern wurde in der vergangenen Legislaturperiode vom Vergehen zum Verbrechen hochgestuft – wie seit langem vom Freistaat gefordert. Das reicht aber noch nicht aus. Hinter jedem kinderpornografischen Bild und Video steht das große Leid eines Kindes. Daher ist es mir wichtig, auch die Betreiber von Kinderpornografie-Foren noch stärker ins Visier zu nehmen. Sie fachen die Nachfrage nach immer neuem und immer härterem Material an. Deshalb fordere ich für diese Täter eine Mindeststrafe von drei Jahren.“
Justizminister Eisenreich und Innenminister Herrmann setzen sich darüber hinaus für die Wiederbelebung der Verkehrsdatenspeicherung ein. Eisenreich: „Bei schweren Straftaten brauchen unsere Ermittler ausreichende digitale Ermittlungsbefugnisse. Es ist völlig unverständlich, dass Strafverfolger Hinweise auf Kindesmissbrauch aus den USA nicht weiterverfolgen können, weil in Deutschland keine Daten mehr gespeichert sind. Die Taten liegen manchmal Monate oder sogar Jahre zurück.“
Die Durchsuchungen der Operation Weckruf 2022 haben gezeigt: Bei 14 Verfahren gab es am Anfang ausschließlich eine auffällige IP-Adresse. Die Daten waren in diesen Fällen noch bei den Telekommunikationsunternehmen vorhanden. Die Ermittlungsmöglichkeiten stehen und fallen in diesen Fällen damit, dass diese IP-Adressen noch konkreten Anschlussinhabern zugeordnet werden können. In zahlreichen anderen Fällen gelingt das wegen der fehlenden Verkehrsdatenspeicherung nicht. Eisenreich: „Die Erfahrung des ZKI zeigt, dass gerade in Tauschbörsen schwere Straftaten begangen werden. Gibt es keine Möglichkeit, IP-Adressen und Bestandsdaten zu verknüpfen, sind solche Ermittlungen schon am Ende, bevor sie überhaupt beginnen konnten.“
Das vom Bundesjustizminister ins Spiel gebrachte Einfrieren von Telekommunikationsdaten direkt nach der Tat (Quick Freeze) ist kein neuer und nach Meinung beider Minister vor allem kein geeigneter Vorschlag. Eisenreich: „Quick Freeze ist keine Lösung. Es würde lediglich die Sicherung von Daten ermöglichen, nachdem die Straftat den Behörden bereits bekannt geworden ist. Erst dann kann eine Quick-Freeze-Anordnung erfolgen. Die Verbindungsdaten sind dann aber in der Regel längst gelöscht und können nicht mehr eingefroren werden. Eine Zuordnung von IP-Adressen zu konkreten Personen ist dann nicht mehr möglich. Gerade bei Verbrechen wie Kindesmissbrauch ist deswegen klar: Quick Freeze kann die Verkehrsdatenspeicherung nicht ersetzen. Bei schweren Verbrechen hat der Europäische Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Verkehrsdatenspeicherung Spielräume eröffnet, die unbedingt genutzt werden müssen. Offensichtlich ist der Bundesjustizminister nicht bereit, diese Spielräume zu nutzen. Das ist fahrlässig und kann Strafverfolgung verhindern. Gerade in diesem sensiblen Bereich fehlt mir dafür jedes Verständnis: Denn immer mehr Kinder werden Opfer von Missbrauch. Sie vor Tätern zu schützen, hat höchste Priorität.“
Quelle: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Pressemitteilung vom 26. Januar 2022