Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in einem Interview mit der BILD-Zeitung heute auch zum Thema Energiepreise geäußert. Hierzu erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung:
„Die kommunalen und privaten Energieversorger sind es, die angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges unter schwierigsten Bedingungen die Energieversorgung gewährleisten. Gleichzeitig hatten sie selbst mit extremen Preissprüngen an den Energiebörsen zu kämpfen. Sie versuchen mit allen Mitteln, die Auswirkungen der Energiepreiskrise auf die Kunden gering zu halten. Zusätzlich übernehmen sie staatliche Aufgaben bei der Umsetzung der Energiepreisbremsen, da die Bundesregierung kein eigenes Entlastungsinstrument geschaffen hat. Statt eines pauschalen Verdachts und pauschaler Kritik sollte der Bundeskanzler eher Energieversorger wie zum Beispiel ein Stadtwerk besuchen, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen.
Eine sichere Prognose der Preisentwicklung im Energiegroßhandel ist aufgrund der internationalen Lage zwar nicht möglich. Im Gasgroßhandel sind aber Anzeichen für eine länger anhaltende Entspannung der Preissituation erkennbar, auch im Hinblick auf die nächsten Monate und im kommenden Jahr. Die Preise liegen noch immer rund viermal höher als im langjährigen Mittel vor der dem ersten Anstieg der Energiepreise 2021. Die ersten Preissenkungen einzelner Gasversorger zeigen, dass der Wettbewerb am Gasmarkt funktioniert und die Energieversorger, sobald es ihre Beschaffungssituation erlaubt, Preissenkungen weitergeben.
Die meisten Unternehmen beschaffen Gas langfristig, zum Teil mehrere Jahre im Voraus (siehe hierzu Erläuterung „Zum Hintergrund“). Lieferverträge für das laufende Jahr mussten daher schon im vergangenen Jahr zu den sehr hohen Preisen im Großhandel abgeschlossen werden. Tatsache ist daher auch, dass Gasversorger trotz allem noch die hohen Börsenpreise des vergangenen Jahres weitergeben müssen. Ähnlich sind die Auswirkungen der Entwicklung an den Strombörsen.
Die Alternative zu einer langfristigen Beschaffungsstrategie wäre, die benötigten Energiemengen erst kurz vor der Lieferung an die Kunden zu beschaffen – eine Risikostrategie für die Unternehmen und die Verbraucher. Wir haben die Folgen solcher Risikostrategien erlebt: Unseriöse Billiganbieter haben auf niedrige Preise im kurzfristigen Handel spekuliert. Als die Einkaufs-Preise unerwartet schnell und stark stiegen, stellten einige dieser unseriösen Anbieter einfach die Belieferung ihrer Kunden ein. Die betroffenen Kunden mussten von den Grundversorgern übernommen werden. Insbesondere die Grundversorger haben gerade im letzten Jahr die Versorgung vieler Kundinnen und Kunden übernommen, die zuvor auf Anbieter mit riskanten kurzfristigen Beschaffungsstrategien mit Billigpreisen gesetzt haben und von diesen von jetzt auf gleich nicht mehr versorgt wurden. Damit haben sie wesentlich zu einer stabilen Versorgung der Kunden mit Strom und Gas beigetragen.
Klar ist: Es darf nicht passieren, dass einzelne Unternehmen die Krise ausnutzen. Aber eine ganze Branche unter Generalverdacht zu stellen – das ist nicht angemessen.“
Zum Hintergrund: Beschaffungsstrategien
Sehr viele Versorger beschaffen die benötigte Energie langfristig in Teilmengen und Schritt für Schritt zu verschiedenen Zeitpunkten. Mit dieser Strategie minimieren sie das Risiko stark schwankender Börsengaspreise. Starke Veränderungen bei den Börsenpreisen wirken sich daher nicht unmittelbar und nicht 1:1 auf den Gaspreis für Endkunden aus. So sinkt der Gaspreisbestandteil ‚Beschaffung‘ nicht im gleichen Umfang, wenn die Börsenpreise fallen. Umgekehrt steigt dieser Preisbestandteil nicht in gleichem Umfang, wenn die Preise an der Börse deutlich steigen. Zeitweise hatten sich die Kosten für die Beschaffung von Strom und Gas an den Börsen mehr als verzehnfacht. Viele Energieversorgungsunternehmen haben es insbesondere im letzten Jahr geschafft, die Energiepreise für die Letztverbraucher auch in Zeiten extrem gestiegener Großhandelspreise stabil zu halten bzw. nur leicht zu erhöhen. Grund dafür war eine solide, auf mehrere Jahre angelegte Beschaffungsstrategie, die Preissicherheit schafft und die starken Preisschwankungen am Großhandelsmarkt nicht unmittelbar abbilden muss.
Der Wettbewerb am Gasmarkt und am Strommarkt ist trotz Energiepreisbremsen intensiv. Für alles über 80 Prozent der zugrundeliegenden Verbrauchsprognose gelten immer noch die Marktpreise. Zudem werden schon heute langfristige Verträge geschlossen, die über den Befristungszeitraum der Energiepreisbremsen hinausgehen. Kein Unternehmen kann es sich erlauben, seine Preise nicht zu senken, wenn es nur irgendwie möglich ist. Neben der Preishöhe sind aber auch anderen Kriterien wie Ansprechbarkeit vor Ort, Seriosität oder Preisgarantien wichtige Argumente bei der Entscheidung der Kundinnen und Kunden.“
Quelle: BDEW, Pressemitteilung vom 24. Februar 2023