Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht hat einstimmig Eilanträge der Gruppe der AfD-Abgeordneten im Landtag sowie ihrer drei Mitglieder abgelehnt (Az. LVerfG 1/22). Die Anträge, die sich gegen die Landesregierung und den Landtag richten und die unter anderem Infektionsschutzmaßnahmen im Plenarsaal des Landtags betreffen, sind schon unzulässig. Es ist auch nicht erkennbar, dass die vom Landtagspräsidenten für den Plenarsaal des Landtags angeordnete 2G+-Regel mit der Alternative, den Saal PCR-getestet und mit FFP-2 Maske zu betreten, offensichtlich verfassungswidrig ist.
Der Landtagspräsident beschränkte mit Allgemeinverfügung vom 7. Januar 2022 den Zutritt zum Plenarsaal im Landeshaus auf Personen, die geimpft, genesen und zusätzlich durch einen PCR-Test getestet sind (sog. 2G+-Regel) und auch im Plenarsaal eine Maske tragen. Abgeordnete, die entweder nicht geimpft oder genesen sind oder die entsprechenden Informationen nicht offenlegen wollen, dürfen den Plenaraal aber betreten, wenn sie entsprechend getestet sind und eine FFP2- oder vergleichbare Maske tragen. Für Abgeordnete, die diese Anforderungen nicht erfüllen, soll eine aktive Teilnahme an den Plenarsitzungen einschließlich Redemöglichkeit in einem anderen Sitzungssaal des Landeshauses möglich sein. Dort gilt die sog. 3G-Regel, nach der geimpfte, genesene und getestete Personen Zutritt haben.
Unter diesen Voraussetzungen fand am 10. Januar 2022 eine Sitzung des Landtags statt. Die Vorgänge im Plenarsaal wurden in zwei weitere Räume im Landeshaus übertragen. Wortbeiträge der sich dort befindenden Abgeordneten wurden in den Plenarsaal übertragen. Auch Anträge konnten so gestellt und an Abstimmungen teilgenommen werden. In der Sitzung stellte der Landtag die konkrete Gefahr der Ausbreitung von COVID-19 in Schleswig-Holstein fest und fasste weitere Beschlüsse. Die nächste Landtagssitzung soll am 26. Januar 2022 stattfinden.
Am 14. Januar 2022 haben die Antragsteller beim Landesverfassungsgericht ein Organstreitverfahren gegen den Landtag und die Landesregierung eingeleitet. Damit wollen sie im Wesentlichen erreichen, dass das Gericht die Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung feststellt und die Landtagsbeschlüsse vom 10. Januar 2022 für unwirksam erklärt. Sie seien in ihren Rechten als Abgeordnete aus Artikel 17 der Landesverfassung verletzt. Gleichzeitig haben sie Eilanträge gestellt. Das Gericht solle der Landesregierung vorläufig untersagen, Rechte aus den Landtagsbeschlüssen herzuleiten, und dem Landtag vorläufig untersagen, weitere Sitzungen unter Geltung der Allgemeinverfügung durchzuführen.
Das Landesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Eilanträge schon unzulässig sind. Das Ziel, der Landesregierung vorläufig zu untersagen, aus den Landtagsbeschlüssen Rechte herzuleiten, ist im zugrundeliegenden Organstreitverfahrens nicht zu erreichen. Es kann dort nur die Verletzung eigener Rechten der Antragsteller festgestellt werden, nicht aber eine allgemeine Verfassungsaufsicht ausgeübt werden. Grundsätzlich kann der Antragsgegner im Wege des Organstreits auch nicht zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet werden. Das gilt auch im Eilverfahren.
Darüber hinaus sind die Antragsteller nicht antragsbefugt. Der Vollzug der Landtagsbeschlüsse durch die Landesregierung hat keine Auswirkungen auf das parlamentarische Verfahren. Es ist nicht erkennbar, wie dadurch die Beteiligungsrechte der Abgeordneten beeinträchtigt werden könnten.
Das Ziel, dem Landtag vorläufig die Durchführung von Sitzungen unter Anwendung der Allgemeinverfügung zu untersagen, kann ebenfalls nicht im Organstreitverfahren und dem entsprechenden Eilverfahren erreicht werden. Den drei Abgeordneten fehlt es außerdem an einem Rechtsschutzbedürfnis. Sie könnten vielmehr unmittelbar gegen die Allgemeinverfügung des Landtagspräsidenten vorgehen, dem die Landesverfassung in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 das Hausrecht zuweist. Ihr Antrag richtet sich aber gegen den Landtag, der die Allgemeinverfügung nicht erlassen hat.
Selbst wenn dieser Antrag aber gegen den Landtagspräsidenten gerichtet gewesen wäre, hätte er, so das Gericht, keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Die drei Abgeordneten werden durch die Allgemeinverfügung nicht offensichtlich in ihren Rechten verletzt, was Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist. Alle Abgeordneten können weiterhin an allen Sitzungen im Plenarsaal teilnehmen. Die in der Allgemeinverfügung festgelegten Zugangsvoraussetzungen sind nicht offensichtlich verfassungswidrig. Sie dienen neben dem allgemeinen Infektionsschutz auch der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Landtags. Es ist den Abgeordneten zumutbar, einen PCR-Test machen zu lassen. Soweit sie entweder nicht geimpft oder genesen sind oder ihren Impf- oder Genesenenstatus nicht offenlegen wollen, ist es ihnen ebenso zumutbar, im Plenarsaal eine FFP2- oder vergleichbare Maske zu tragen. Wenn sie unter diesen Bedingungen nicht an den Sitzungen im Plenarsaal teilnähmen, täten sie dies freiwillig.
Wann eine Entscheidung über die Hauptsacheanträge im Organstreitverfahren (Az. LVerfG 2/22) ergeht, ist derzeit noch nicht absehbar.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht, Pressemitteilung vom 24. Januar 2022