Entsprechend dem Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien verfolgt die Bundesregierung ein Vorhaben zur Integration des steuerlichen Kindergelds in die Grundsicherung. Dieses Vorhaben könnte Auswirkungen auf die Zuständigkeiten der Finanzgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit haben. So wird auf der Ebene der Bundesregierung diskutiert, die Leistungen des steuerlichen Kindergeldes als Garantiebetrag mit dem Kinderzuschlag als Zusatzbetrag im Sozialrecht zur Kindergrundsicherung zusammenzuführen. Eine solche Neuregelung hätte zur Folge, dass die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten zum Kindergeld von den Finanzgerichten zu den Sozialgerichten übergehen würde.
Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck erklärte dazu: „Die Bundesregierung sollte die Konsequenzen dieses Vorschlags für die Rechtsprechung und für die Bürgerinnen und Bürger bedenken. Die Finanzgerichte bearbeiten seit fast drei Jahrzehnten verlässlich Angelegenheiten zum Kindergeld. Die Bürgerinnen und Bürger können sich auf eine gefestigte Rechtsprechung der Finanzgerichte verlassen. Das sollte auch weiterhin unser Anliegen sein. Ein Zuständigkeitswechsel von den Finanzgerichten zu den Sozialgerichten würde eine Neubewertung der bestehenden Rechtsfragen nach sich ziehen. Dies würde unnötig Rechtsunsicherheiten schaffen, was Verfahrenslaufzeiten zum Nachteil der Betroffenen verlängern könnte. Das kann nicht im Interesse des Rechtsstaats sein. Außerdem bleibt das Kindergeld auch nach einer Reform weiterhin eng mit dem Steuerrecht verbunden. In diesem Bereich verfügen Richterinnen und Richter an den Finanzgerichten über eine ganz besondere Expertise. Dieses hohe Maß an Rechtsschutzqualität sollte nicht ohne Not aufgegeben werden.
Daher appelliere ich an die zuständigen Ministerien im Bund, einen Zuständigkeitswechsel im Zuge der geplanten Reform zu vermeiden, insbesondere vor dem Hintergrund der daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten und auch wegen der damit einhergehenden Personalbindungen, die gerade in Zeiten knapper Ressourcen in der Justiz wenig zielführend erscheinen. Ich habe diese Position auch in einem Schreiben an die in den Reformprozess eingebundenen Bundesministerinnen und Bundesminister für Familie, Finanzen und Justiz verdeutlicht. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Finanzgerichtspräsidentinnen und Finanzgerichtspräsidenten warnt völlig zu Recht vor den erheblichen Auswirkungen eines solchen Zuständigkeitswechsels. Ich spreche mich nachdrücklich dafür aus, die Zuständigkeiten in Kindergeldsachen bei den Finanzgerichten zu belassen. Es entspricht meiner festen Überzeugung, dass sich die Finanzrichterinnen und Finanzrichter schnell mit Neuregelungen zur Kindergrundsicherung vertraut machen und sie den Bürgerinnen und Bürgern auch weiterhin eine zuverlässige Rechtsprechung auf diesem Gebiet gewährleisten werden“ so Hessens Justizminister Roman Poseck.
Der Präsident des Hessischen Finanzgerichts, Michael Knab, gibt zu bedenken, dass sich der geplante Garantiebetrag der Kindergrundsicherung an dem heutigen Kindergeld orientieren und damit weiterhin die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des steuerlichen Existenzminimums der Kinder bei der Einkommensteuer der Eltern bewirken soll. „Damit wird es für die Gewährung des Garantiebetrags – wie auch heute für die Gewährung von Kindergeld – aber weiterhin zentral auf die steuerrechtlichen Regelungen nach dem Einkommensteuergesetz und nach der Abgabenordnung ankommen. Etwa zur Frage der Freistellung des Familienexistenzminimums durch Freibeträge, der subjektiven Bezugsberechtigung, des Wohnsitzes und der Berechnung der Einkünfte von Kindern zur Klärung, ob diese wegen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Diesbezüglich haben die Finanzgerichte und der Bundesfinanzhof in den vergangenen 27 Jahren eine gut handhabbare Rechtsprechung entwickelt und damit für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesorgt“.
Quelle: Justizministerium Hessen, Pressemitteilung vom 31. Januar 2023