Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (RSF) erneut Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Die beiden Organisationen hatten bereits im Jahr 2020 ein aufsehenerregendes Urteil zum gleichen Gesetz erstritten, das weite Teile der Auslandsüberwachung durch den BND für grundrechtswidrig erklärte. Daraufhin reformierte der Gesetzgeber das BND-Gesetz, wobei er sich zum Teil offen über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinweggesetzt hat. Auch hat er neue verfassungswidrige Regelungen in das Gesetz aufgenommen. Es verletzt dadurch das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, den Gleichbehandlungsgrundsatz und das IT-Grundrecht.
„Dass wir drei Jahre nach einem bahnbrechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts das gleiche Gesetz vor dem gleichen Gericht erneut angreifen müssen, ist ein rechtsstaatlicher Skandal. Zumal das Gesetz heute mehr verfassungswidrige Vorschriften denn je enthält“, kritisiert Bijan Moini, Verfahrenskoordinator und Leiter des Legal Teams der GFF. „Unter dem Deckmantel der strategischen Informationsgewinnung im Ausland darf der BND jetzt zum Beispiel tiefgreifende, auf Einzelpersonen zugeschnittene Überwachungsmittel wie den Staatstrojaner einsetzen, ohne nennenswerte Einschränkungen.“
Ebenfalls sehr problematisch: Der eigentlich für das Ausland zuständige Geheimdienst darf nun alle Menschen in Deutschland ausspähen, wenn es sich um sogenannte Maschine-zu-Maschine-Kommunikation handelt. Diese geheimdienstliche Erfassung der Kommunikation zwischen zwei technischen Geräten ist an praktisch keine Voraussetzungen geknüpft. Sie erlaubt über die Auswertung der Metadaten etwa von Gesundheitsapps, Online-Banking oder Navigationsdiensten potenziell weitreichende Rückschlüsse auf körperliche und psychische Eigenschaften, die Finanzkraft oder das Sozialverhalten der Betroffenen.
Zahlreiche Sachverständige übten 2020 scharfe Kritik am Gesetzentwurf. Unter anderem hatte RSF einen umfassenden Schutz der vertraulichen Kommunikation von Journalist*innen gefordert. Helene Hahn, Referentin für Internetfreiheit sieht die Pressefreiheit in Gefahr: „Seit den ersten Enthüllungen, die das Ausmaß der weltweiten Überwachung durch Geheimdienste offenlegten, sind bald zehn Jahre vergangen. An der Überwachungspraxis änderte sich wenig. Wir kämpfen noch immer um ein Minimum an Schutz für Journalist*innen vor unrechtmäßigen Abhöraktionen – auch bei deutschen Behörden wie dem BND.“
Die Verfassungsbeschwerde verfasste Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die GFF und RSF klagen als betroffene Organisationen selbst. Zu den weiteren Beschwerdeführer*innen gehören Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen – wie Meron Estefanos, Peter Verlinden und Can Dündar. Die Klage steht in einer Linie mit weiteren Verfassungsbeschwerden beider Organisationen gegen Rechtsgrundlagen der verschiedenen deutschen Geheimdienste. Übergreifendes Ziel ist, die Arbeit der Geheimdienste auf den Boden des Grundgesetzes zurückzuholen.
Weitere Informationen zu unserem Fall finden Sie hier:
- https://freiheitsrechte.org/themen/freiheit-im-digitalen/vb_bdng_2
- https://www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/internetfreiheit/kritik-am-bnd-gesetz/
Hintergrund: GFF
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) ist eine spendenfinanzierte Organisation, die Grund- und Menschenrechte mit juristischen Mitteln verteidigt. Der Verein fördert Demokratie und Zivilgesellschaft, schützt vor unverhältnismäßiger Überwachung sowie digitaler Durchleuchtung und setzt sich für gleiche Rechte und die soziale Teilhabe aller Menschen ein. Dazu führt die GFF strategische Gerichtsverfahren, geht mit Verfassungsbeschwerden gegen grundrechtswidrige Gesetze vor und bringt sich mit ihrer juristischen Expertise in gesellschaftliche Debatten ein. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Berlin wurde 2015 gegründet und finanziert sich vor allem durch Einzelspenden und die Beiträge seiner Fördermitglieder.
Quelle: Gesellschaft für Freiheitsrechte, Pressemitteilung vom 19. Januar 2023