Berichtet ein Rechtsanwalt über einen erstrittenen gerichtlichen Erfolg auf seiner Homepage und wird diese Entscheidung später rechtskräftig aufgehoben, muss er diesen Bericht nicht nachträglich löschen. Auf Verlangen des Betroffenen wäre er jedoch verpflichtet, den Beitrag zu aktualisieren (Nachtragsanspruch). Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies mit heute verkündeter Entscheidung den Unterlassungsanspruch der Betroffenen gegen den Rechtsanwalt zurück.
Die Klägerin betreibt eine deutschlandweit tätige Wirtschaftsauskunftei in Wiesbaden. Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er erstritt im November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin und berichtete im Anschluss darüber in einem Anwalts-Blog auf der Kanzlei-Webseite unter der Überschrift „Einstweilige Verfügung gegen (die Klägerin) erlassen; Zwangsmittel beantragt“. Die einstweilige Verfügung wurde nachfolgend auf Widerspruch der Klägerin hin rechtskräftig aufgehoben.
Die Klägerin wendet sich gegen Äußerungen in diesem unverändert nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfügbarem Bericht. Das Landgericht hatte dem Unterlassungsbegehren der Klägerin stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg.
Die Klägerin habe keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten, stellte das OLG fest. Wahre Tatsachenbehauptungen – wie hier der Erlass der einstweiligen Verfügung – seien grundsätzlich hinzunehmen. Dies gelte auch, wenn sie für den Betroffenen nachteilig seien. Der Leser erkenne hier, dass der Beitrag nicht einen nach dessen Veröffentlichung aktualisierten Stand wiedergebe.
Durch die zwischenzeitlich erfolgte rechtskräftige Aufhebung der einstweiligen Verfügung werde ebenfalls kein Unterlassungsanspruch begründet. Zwar könne das fortdauernde Bereithalten ursprünglich rechtmäßig veröffentlichter Berichte im Einzelfall unzulässig sein. „Wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt“, könnten Persönlichkeitsrechte verletzt werden, gibt das OLG zu Bedenken. Komme es zu einer nachträglichen Änderung, sei deshalb eine erneute Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen. Hier rechtfertigten es die Interessen der Klägerin indes nicht, dem Beklagten künftig die Berichterstattung über die aufgehobene Verfügung zu untersagen. Da der Beitrag ein kommerziell orientierter Blog sei, könnte sich der Beklagte zwar nicht – wie die Presse – darauf berufen, nicht verpflichtet zu sein, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen. Der geringere Verbreitungsgrad des Blogbeitrags führe allerdings auch zu einer geringeren Beeinträchtigung der Klägerin. Dem Beklagten sei zudem grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse zuzusprechen, gegenwärtige und potentielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zu Gunsten seines Mandanten entschieden habe. Eine Löschung der angegriffenen Äußerungen wäre mithin ein zu starker Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit des Beklagten. Ausreichend und verhältnismäßig wäre hier ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens. Darauf hätte die Klägerin, die rüge, dass „nur die halbe Wahrheit“ berichtet werde, auch einen Anspruch gehabt. Sie hätte aber einen solchen Nachtrag auch verlangen müssen. Daran fehle es hier.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2022, Az. 16 U 255/21
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 4.11.2021, Az. 2-03 O 296/21)
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Pressemitteilung vom 19. Januar 2023