Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg hat mit Urteil vom 10. Januar 2023 – 7 A 2981/18 – die Rechtswidrigkeit einer versammlungsrechtlichen Auflage („Flugblattverteilungsverbot“) durch die Stadt Friesoythe (Beklagte) festgestellt.
Der Kläger beabsichtigte, am 1. August 2018 gegen – so vorangegangene Presseberichte – „illegale Exporte von Giftstoffen“ eines in Friesoythe ansässigen Unternehmens zu demonstrieren und hierbei an die Mitarbeiter des Unternehmens Flugblätter zu verteilen, in denen sie zum Whistleblowing aufgefordert wurden.
Nachdem die Beklagte von der zuständigen Staatsanwaltschaft die Auskunft erhalten hatte, dass diese – sollte der Kläger das Flugblatt bei der Kundgebung wie angekündigt verteilen – gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen § 111 StGB i.V.m. § 17 UWG einleiten werde, erließ die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2018 u.a. die streitgegenständliche Auflage, dass die Verteilung des mit der Anmeldung vorgelegten Flugblattes bei der Demonstration nicht gestattet sei.
Daraufhin sagte der Kläger die geplante Versammlung ab und erhob beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage gegen das „Flugblattverteilungsverbot“.
Der Einzelrichter der 7. Kammer hat der Klage auf die mündliche Verhandlung am 10. Januar 2023 stattgegeben und festgestellt, dass die Auflage („Flugblattverteilungsverbot“) rechtswidrig war.
Das Gericht hat seine Entscheidung maßgeblich auf eine fehlerhafte Ermessensausübung der Beklagten gestützt. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung sowohl die durch die Auflage eingeschränkten Grundrechte des Klägers als auch die – zum damaligen Zeitpunkt – aufgrund europarechtlicher Vorschriften ungewisse Rechtslage bei der strafrechtlichen Beurteilung des Aufrufs zum Whistleblowing nicht hinreichend berücksichtigt.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg beantragt werden.
Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg, Pressemitteilung vom 18. Januar 2023