Die Europäische Kommission hat eine deutsche Beihilferegelung im Umfang von 49 Mrd. EUR zur Unterstützung der Wirtschaft vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine genehmigt. Die Regelung wurde auf der Grundlage des am 23. März 2022 von der Kommission erlassenen und am 20. Juli 2022 sowie am 28. Oktober 2022 geänderten Befristeten Krisenrahmens für staatliche Beihilfen genehmigt, in dem die Kommission gestützt auf Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) anerkennt, dass das Wirtschaftsleben in der EU beträchtlich gestört ist.

Die deutsche Beihilferegelung

Deutschland hat auf der Grundlage des Befristeten Krisenrahmens eine Beihilferegelung im Umfang von 49 Mrd. EUR bei der Kommission angemeldet, um Unternehmen angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine zu unterstützen.

Die Maßnahme steht – unabhängig von Wirtschaftszweig und Größe – Unternehmen offen, bei denen es sich um Endverbraucher von Strom, von Erdgas bzw. von mit Erdgas bzw. Strom erzeugter Wärme handelt.

Die Beihilfe soll in Form von Direktzuschüssen gewährt werden. Die staatliche Förderung wird über die Energieversorger in monatlichen Tranchen in Form von Ermäßigungen der Strom-, Erdgas- und Wärmerechnungen der förderfähigen Begünstigten bereitgestellt. Anschließend erstattet der deutsche Staat den Energieversorgern die bereitgestellte Beihilfe.

Verwaltet wird die Maßnahme vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit Unterstützung durch Energieversorger und mehrere andere Verwaltungsstellen, die zu einem späteren Zeitpunkt benannt werden.

Die Regelung sieht auch einen Rückforderungsmechanismus vor. Der Gesamtbetrag der jedem einzelnen Unternehmen gewährten Unterstützung wird am Ende des Förderzeitraums anhand der nach dem Befristeten Krisenrahmen zulässigen Beihilfehöchstbeträge überprüft. Zahlungen, die die geltenden Beihilfeobergrenzen überschreiten, werden von den mit dieser Aufgabe betrauten deutschen Behörden zurückgefordert. Dadurch wird sichergestellt, dass die staatlichen Beihilfen auf das erforderliche Minimum beschränkt sind.

Die Kommission hat festgestellt, dass die deutsche Regelung die im Befristeten Krisenrahmen genannten Voraussetzungen erfüllt. Insbesondere wird i) der Betrag einer Einzelbeihilfe 50 % der beihilfefähigen Kosten bei einem Beihilfehöchstbetrag von 4 Mio. EUR nicht überschreiten und ii) bei von der Krise besonders betroffenen Unternehmen der Betrag einer Einzelbeihilfe 40 % der beihilfefähigen Kosten bei einem Beihilfehöchstbetrag von 100 Mio. EUR nicht überschreiten. Bei Beihilfeempfängern, die als energieintensive Unternehmen eingestuft werden, wird die Gesamtbeihilfe je Beihilfeempfänger 65 % der beihilfefähigen Kosten bzw. 80 % in den in Anhang 1 aufgeführten besonders betroffenen Sektoren bei einem Beihilfehöchstbetrag von 50 Mio. EUR bzw. 150 Mio. EUR nicht überschreiten. Darüber hinaus wird jegliche Beihilfe spätestens am 31. Dezember 2023 gewährt.

Die Kommission stellte ferner fest, dass die Maßnahme so konzipiert ist, dass die Beihilfe in vollem Umfang an die Endbegünstigten weitergegeben und der Wettbewerb zwischen den Anbietern auf dem Endkundenmarkt gewahrt wird.

Daher ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die von Deutschland angemeldete Regelung erforderlich, geeignet und angemessen ist, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats zu beheben, und deshalb mit Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV und den im Befristeten Krisenrahmen festgelegten Voraussetzungen im Einklang steht.

Folglich hat die Kommission die Maßnahme nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

Hintergrund

Der am 23. März 2022 angenommene Befristete Krisenrahmen für staatliche Beihilfen ermöglicht es den Mitgliedstaaten, den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum zu nutzen, um angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine die Wirtschaft zu stützen.

Der Befristete Krisenrahmen wurde am 20. Juli 2022 im Einklang mit den Zielen von REPowerEU geändert, um das Paket zur Vorbereitung auf den Winter zu ergänzen.

Der Befristete Krisenrahmen wurde am 28. Oktober 2022 im Einklang mit der Verordnung über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise („Verordnung (EU) 2022/1854“) und dem Vorschlag der Kommission für eine neue Dringlichkeitsverordnung, mit der auf die hohen Gaspreise in der EU reagiert und die Versorgungssicherheit in diesem Winter gewährleistet werden soll, geändert.

Der Befristete Krisenrahmen sieht vor, dass die Mitgliedstaaten folgende Arten von Beihilfen gewähren können:

  • Begrenzte Beihilfen in jeder Form für Unternehmen, die von der derzeitigen Krise oder den anschließenden Sanktionen und Gegensanktionen betroffen sind, bis zu einem erhöhten Betrag von 250 000 EUR bzw. 300 000 EUR in den Sektoren Landwirtschaft, Fischerei und Aquakultur und bis zu 2 Mio. EUR in allen anderen Sektoren.
  • Liquiditätshilfen in Form von staatlichen Garantien und zinsvergünstigten Darlehen: In Ausnahmefällen und unter strengen Auflagen können die Mitgliedstaaten Energieversorgungsunternehmen für ihre Handelstätigkeiten öffentliche Garantien über 90 % Deckung gewähren, wenn sie als Finanzsicherheit ohne zugrunde liegende Darlehen für zentrale Gegenparteien oder Clearingmitglieder bereitgestellt werden.
  • Beihilfen zur Entschädigung für die höheren Energiepreise: Die Beihilfen können in jeglicher Form gewährt werden. Sie sollen die Unternehmen, insbesondere energieintensive Unternehmen, von einem Teil der Mehrkosten entlasten, die ihnen aufgrund der außergewöhnlich stark gestiegenen Gas- und Strompreise entstehen. Die Einzelbeihilfe kann auf der Grundlage des bisherigen oder des gegenwärtigen Verbrauchs berechnet werden. Dabei ist der Notwendigkeit, die Marktanreize zur Senkung des Energieverbrauchs aufrechtzuerhalten und die Kontinuität der Wirtschaftstätigkeiten zu gewährleisten, Rechnung zu tragen. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten die Unterstützung flexibler gestalten und z. B. besonders betroffene energieintensive Sektoren stärker fördern, sofern Vorkehrungen gegen Überkompensation getroffen werden. Weitere Einzelheiten zu den Unterstützungsmöglichkeiten bei hohen Energiepreisen sowie die Berechnungsmethode für die Einzelbeihilfen finden Sie hier.
  • Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien: Die Mitgliedstaaten können Regelungen für Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien – in erneuerbaren Wasserstoff, Biogas und Biomethan, Speicherung und (z. B. durch Wärmepumpen erzeugte) erneuerbare Wärme – über vereinfachte Ausschreibungen fördern, die rasch durchgeführt werden können, wobei ausreichende Vorkehrungen zum Schutz des fairen Wettbewerbs zu treffen sind. Insbesondere können die Mitgliedstaaten Regelungen für bestimmte Technologien auflegen, die angesichts des jeweiligen nationalen Energiemixes gefördert werden sollten.
  • Maßnahmen zur Förderung der Dekarbonisierung industrieller Prozesse: Um die Diversifizierung der Energieversorgung weiter zu beschleunigen, können die Mitgliedstaaten Investitionen in den Ausstieg aus fossilen Energieträgern unterstützen, so die Elektrifizierung, Energieeffizienz und Umstellung auf die Nutzung von erneuerbarem und strombasiertem Wasserstoff, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Die Mitgliedstaaten können entweder neue auf Ausschreibungen basierende Regelungen einführen oder Vorhaben ohne Ausschreibung direkt unterstützen, wobei der Anteil der öffentlichen Förderung pro Investition begrenzt ist. Für kleine und mittlere Unternehmen sowie für besonders energieeffiziente Lösungen würden Aufschläge vorgesehen.
  • Maßnahmen zur Senkung der Stromnachfrage im Einklang mit der Verordnung (EU) 2022/1854.

Folgende Arten von Beihilfen sind nach einer Einzelfallprüfung unter bestimmten Voraussetzungen möglich: i) Unterstützung von Unternehmen, die von obligatorischen oder freiwilligen Gasbeschränkungen betroffen sind, ii) Unterstützung für die Befüllung von Gasspeichern, iii) befristete Unterstützung für die Umstellung auf umweltschädlichere fossile Brennstoffe, wenn diese mit Bemühungen um Energieeffizienz und der Vermeidung von Anbieterabhängigkeiten einhergehen, iv) Unterstützung der Bereitstellung von Versicherungen oder Rückversicherungen für Unternehmen, die Güter in die und aus der Ukraine befördern, sowie v) Unterstützung von Rekapitalisierungsmaßnahmen, wenn eine solche Solvenzhilfe erforderlich, geeignet und angemessen ist.

Von Russland kontrollierte Unternehmen, die mit Sanktionen belegt wurden, können die Regelung nicht in Anspruch nehmen.

Der Befristete Krisenrahmen enthält eine Reihe von Vorkehrungen:

  • Verhältnismäßigkeit: Der Beihilfebetrag, der einem Unternehmen gewährt werden kann, muss in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang seiner wirtschaftlichen Tätigkeit sowie zu dem Ausmaß stehen, in dem es von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise betroffen ist.
  • Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Regelung: Nur Unternehmen, deren Energiebeschaffungskosten entweder mindestens 3 % ihres Produktionswerts oder Umsatzes im Jahr 2021 oder mindestens 6 % ihres Produktionswerts oder Umsatzes im ersten Halbjahr 2022 ausmachen, kommen als „energieintensive Betriebe“ für Beihilfen in Betracht.
  • Nachhaltigkeitskriterien: Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert zu erwägen, für die Gewährung von Beihilfen zur Entschädigung für Mehrkosten aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise nichtdiskriminierende Anforderungen in Bezug auf Umweltschutz oder Versorgungssicherheit festzulegen. Darüber hinaus müssen Beihilfeempfänger, die Beihilfen für Energiemehrkosten von mehr als 50 Mio. EUR erhalten, der Bewilligungsbehörde einen Plan vorlegen, aus dem hervorgeht, wie sie den CO2-Fußabdruck ihres Energieverbrauchs verringern oder welche andere Maßnahmen sie zur Gewährleistung des Umweltschutzes oder der Energieversorgungssicherheit durchführen werden.

Der Befristete Krisenrahmen gilt für alle Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2023. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, wird die Kommission zu einem späteren Zeitpunkt prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist.

Der Rahmen ergänzt die umfangreichen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, Maßnahmen im Einklang mit den geltenden EU-Beihilfevorschriften zu konzipieren. Zum Beispiel können die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der EU-Beihilfevorschriften Unternehmen unterstützen, die mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben und dringend eine Rettungsbeihilfe benötigen. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten Unternehmen auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union für Einbußen entschädigen, die ihnen direkt durch ein außergewöhnliches Ereignis – wie die aktuelle Krise – entstanden sind.

Am 19. März 2020 hat die Kommission vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie bereits einen Befristeten Rahmen erlassen, der am 3. April8. Mai29. Juni und 13. Oktober 2020 sowie am 28. Januar und 18. November 2021 geändert wurde. Wie im Mai 2022 angekündigt, wurde der bis zum 30. Juni 2022 geltende Befristete COVID-19-Rahmen nicht verlängert. Nur Investitionsförderungs- und Solvenzhilfemaßnahmen dürfen noch bis zum 31. Dezember 2023 gewährt werden. Mit Blick auf einen flexiblen Übergang sieht der Befristete COVID-19-Rahmen verschiedene Optionen mit klaren Vorgaben vor, um bis zum 30. Juni 2023 Schuldtitel wie Garantien oder Darlehen in andere Beihilfeformen (z. B. direkte Zuschüsse) umzuwandeln und umzustrukturieren.

Die Kommission konsultiert im Rahmen einer Umfrage derzeit die Mitgliedstaaten zu gezielten Anpassungen der befristeten EU-Beihilfevorschriften. Die Vorschriften sollten schneller und einfacher anzuwenden sein und Vorhersehbarkeit über einige Jahre hinweg gewährleisten, damit unter Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt öffentliche Investitionen in den Wandel beschleunigt werden. Der neuen Rahmen soll auf der Grundlage der Rückmeldungen der Mitgliedstaaten im Januar vorgelegt werden.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb der Kommission unter der Nummer SA.104606 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter Competition Weekly e-News.

Weitere Informationen zu dem Befristeten Krisenrahmen und anderen Maßnahmen der Kommission zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine sind hier abrufbar.

Quelle: Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 22. Dezember 2022

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