Der Käufer, der den im Oktober 2017 als Körsieger prämierten Hengst Kaiser Milton auf einer Auktion gekauft hat, muss den Kaufpreis für das Pferd bezahlen. Das hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts gestern entschieden.
Zum Sachverhalt: Im Oktober 2017 veranstaltete der Trakehner Zuchtverband e. V. eine Körung, bei der der damals 2 1/2-jährige und kürzlich verstorbene Hengst Kaiser Milton als Sieger hervorging. Bei einer sich anschließenden Auktion auf dem Trakehner Hengstmarkt in Neumünster bot die Klägerin, die Trakehner-Pferde vermarktet, den Hengst in Kommission für den Eigentümer an. Der Beklagte, der sich auf die Zucht von Trakehner Pferden spezialisiert hat, erhielt den Zuschlag für 320.000 €; der Rechnungsbetrag belief sich einschließlich Mehrwertsteuer und Nebenkosten auf gut 380.000 €. Die Übergabe des Pferdes an den Beklagten erfolgte direkt nach der Auktion. In der Folgezeit reklamierte der Beklagte angebliche Mängel des Pferdes gegenüber der Klägerin und trat vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin verlangt nun die Zahlung des Betrages von gut 380.000 €. Das Landgericht Kiel hat der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung verurteilt, weil der Beklagte der Klägerin keine Frist zur Lieferung eines Ersatzpferdes gesetzt hatte. Die Berufung des Beklagten hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Geldbetrages bestätigt.
Aus den Gründen: Der Beklagte ist verpflichtet, den Kaufpreis in Höhe von gut 380.000 € an die Klägerin zu zahlen. Er ist nicht wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten. Der Rücktritt scheitert allerdings nicht – wie das Landgericht angenommen hat – an einer fehlenden Aufforderung des Beklagten zur Lieferung eines mangelfreien Pferdes. Zwar kann ein Rücktrittsrecht nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches grundsätzlich erst dann geltend gemacht werden, wenn dem Verkäufer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nachbesserung (Mängelbeseitigung) oder Nachlieferung gesetzt wurde. Die hier maßgeblichen Auktionsbedingungen bestimmen aber für den vorliegenden Kauf etwas Anderes. Nach diesen Bedingungen steht dem Käufer kein Anspruch auf Nachlieferung eines Ersatzpferdes zu. Abgesehen davon hätte der Körungssieger nicht durch ein gleichwertiges Ersatzpferd ausgetauscht werden können.
Der Rücktritt scheitert jedoch daran, dass der Beklagte keinen Mangel nachweisen konnte, der ihn zum Rücktritt berechtigt hätte. Im Zeitpunkt der Übergabe lahmte das Pferd nicht. Es wies zwar eine Fehlbildung am linken Vorderhuf auf, aus der sich möglicherweise eine Lahmheit entwickelt hat. Diese Fehlbildung war zum Zeitpunkt der Auktion aufgrund einer vorangegangenen röntgenologischen Untersuchung aber bekannt. Die Fehlbildung gehörte deshalb mit allen daraus folgenden Risiken zur vereinbarten Beschaffenheit des Pferdes. Aus der Zulassung zur Körung konnte der Beklagte nicht mit Sicherheit schließen, dass Kaiser Milton unter keinem zur Zucht unerwünschten Mangel – wie etwa einer Lahmheit – leidet. Er wusste, dass das Pferd vor der Körung nur in eingeschränktem Umfang gesundheitlich untersucht worden war. Die erfolgreiche Teilnahme an der Körung verschaffte dem Beklagten daher keine letzte Gewissheit über den gesundheitlichen Zustand des Pferdes. Ähnliches gilt für den von dem Beklagten weiter behaupteten Mangel eines Fesselträgerschadens am linken Vorderbein. Der Fesselträgerschaden war bei der Körung zwar nicht bekannt, es war aber bekannt, dass die Untersuchung vor der Körung die Prüfung eines solchen Schadens nicht umfasste. Die Zulassung zur Körung ließ also nicht darauf schließen, dass ein solcher Schaden nicht bestand. Vielmehr galt nach den Auktionsbedingungen insoweit ein „ungewisser Zustand“ als vereinbart.
Der bei Kaiser Milton festgestellte Herzbefund stellt ebenfalls keinen Mangel dar, der den Beklagten zum Rücktritt berechtigte. In dem vor der Auktion gefertigten Untersuchungsprotokoll wird ein Herznebengeräusch erwähnt, das nachuntersucht werden müsse. Da die Befunde des Untersuchungsprotokolls die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit des Pferdes bestimmen, gilt damit grundsätzlich ein noch zu beobachtender Herzbefund als vertragsgemäß. Die Beschaffenheitsvereinbarung ist jedoch sachgerecht so auszulegen, dass der Herzbefund nach Art und Schwere einer Zulassung zur Körung nicht entgegengestanden haben darf. Davon ist hier auszugehen. Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass Kaiser Milton wegen des Herzbefundes nicht zur Körung hätte zugelassen werden dürfen. Nach den Feststellungen im vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten ist nicht nachgewiesen, dass Kaiser Milton bereits im Jahr 2017 unter einem Herzfehler, also einem Herzbefund mit Krankheitswert, litt. Zwar war ein Herzbefund vorhanden. Dieser bestand aber nur in einem gering- bis mittelgradigen Herzgeräusch, das voraussichtlich auf eine unzureichende Verschlussfähigkeit der Mitralklappe zurückzuführen war. Dieser Befund hatte aber noch keinen Krankheitswert. Die Entwicklung konnte in die eine oder andere Richtung gehen und war nicht prognostizierbar. Es gab somit keinen Grund, Kaiser Milton im Jahr 2017 von der Körung auszuschließen. Das Risiko war bekannt, weil der Herzbefund bekannt war. Dass sich der Herzzustand des Pferdes verschlechterte und möglicherweise zu seinem Tod geführt hat, heißt deshalb nur, dass sich ein dem Herzbefund innewohnendes Risiko verwirklicht hat.
Quelle: OLG Schleswig, Pressemitteilung vom 29. Dezember 2021